Die Prinzen Von Irland
der
schwarze Nebel.
Er erhob sich so
plötzlich und so mächtig, dass Deirdre unwillkürlich aufschrie. Mit einem
gewaltigen Schwirren stoben die Stare auf. Zu Tausenden und Abertausenden
umhüllten sie die Streitwagen mit einer flirrenden schwarzen Wolke. Sie umkreisten
sie in einem fort, als wären sie in einem wunderlich dunklen Strudel einer
Windhose gefangen. Der myriadenfache Flügelschlag der Vögel rauschte so laut,
dass Deirdre nicht einmal ihre eigenen Schreie hörte. Vor ihnen, rings um sie
her, hinter ihnen senkte und erhob sich von neuem die schwarze Wolke und schoss
dann in einer gewaltigen Flutwelle auf die nahen Bäume zu.
Deirdre blickte zu
den anderen hinüber. Ihr Vater und ihre Brüder lachten, Conalls Gesicht konnte
sie nicht erkennen. Aber als sie zu den Menschenmassen auf den Erdwällen über
sich aufblickte, wurde ihr mit neuem Entsetzen bewusst, was gerade geschehen
war.
Conall war auf seinem
Weg nach Tara durch einen schwarzen Nebel gekommen.
Die drei gessa waren nun alle
erfüllt.
In gestrecktem Galopp
fuhren die Wagen den Hang hinauf und gelangten in den großen umschlossenen
Bezirk von Tara. Brennende Fackeln säumten den Weg, der zum Gipfel
hinaufführte. Als sie das letzte Stück des Auffahrtswegs erreichten, hielten
die beiden hinteren Streitwagen an und ließen Conall die kurze, von Erdwällen
eingefasste Zeremonialallee, an deren Ende, von seinen Häuptlingen flankiert,
der Hochkönig wartete, allein passieren.
Deirdre sah, wie
Conall von seinem Wagen sprang und auf den König zutrat. Sie sah, wie der König
seine Brust entblößte, sie seinem Neffen zum Kuss darbot und anschließend die
Geste der Versöhnung erwiderte. Darauf kniete Conall vor seinem Onkel nieder,
und dieser legte dem jungen Mann seine Hände auf das Haupt, um ihm seinen Segen
zu geben. Eigentlich hätte Deirdre über diese Zeichen von Liebe und Vergebung
glücklich sein können, aber sie war immer noch so sehr über die
umherschwärmenden Vögel erschrocken, dass sie nur ein unwohles Gefühl empfand.
Das alles erschien ihr nun zu schön, um wahr zu sein. Warum traten der
Hochkönig und seine Männer, nachdem sie ihre Begrüßungszeremonie beendet
hatten, zur Seite, wie um Conall zu ehren, während er durch ihre Mitte auf die
Gruppe von Druiden zuschritt, die, wie sie nun bemerkte, hinter der königlichen
Gruppe gewartet hatte? Warum war Conall, der geflüchtete Prinz, der Verräter,
nun auf einmal ein Held?
»Du musst nun mit mir
kommen.« Sie blickte herab und sah zu ihrer Überraschung Larine, der lächelnd
neben ihrem Wagen stand. »Man hat dir einen Platz zum Ausruhen vorbereitet. Du
wirst in guten Händen sein.« Da er bemerkte, wie zweifelnd sie ihn anblickte,
fügte er hinzu: »Du trägst Conalls Kind unter dem Herzen. Dir wird große Ehre
zuteil werden. Nun folge mir.« Er schritt voraus und führte sie zu einer
kleinen Hütte. Sie hatten diese beinahe erreicht, als Deirdre den Schmied
erblickte. Goibniu stand abseits und beobachtete sie. Sie ignorierte ihn, und
auch er machte keine Anstalten, sie zu begrüßen. Er stand nur da und
beobachtete sie. Sie konnte sich nicht erklären, warum. Als sie die Unterkunft
erreichten, fragte sie Larine.
In der Hütte
erwartete sie ein Sklavenmädchen, das ihr Erfrischungen reichte. Ihr Vater und
ihre Brüder, vermutete sie, würden woanders untergebracht werden. Viel Volk
bewegte sich in dem weitläufigen Lager, doch niemand kam auf sie zu, als sie
vor ihre Tür trat. Sie hatte den Eindruck, man würde sie höflich ignorieren,
als hätte man sie von den anderen abgesondert.
Endlich erschien
Conall in Begleitung von Larine, der sich einige Schritte hinter ihm hielt.
Der Prinz wirkte
ernst, aber vollkommen mit sich in Frieden! Welche Erleichterung musste es für
ihn sein, dass sein Onkel sich wieder mit ihm versöhnt hatte. Wie freundlich
und liebevoll er zu ihr herabblickte!
»Ich war bei den
Druiden, Deirdre«, sagte er freundlich. »Es gab etwas zu regeln.« Er hielt
einen Moment inne. »Sie werden mir eine große Ehre erweisen.«
»Wie schön, Conall«,
sagte sie ohne zu begreifen, was er meinte.
»Ich habe mich auf
eine Reise zu begeben, Deirdre, die nur ein Prinz unternehmen kann. Und wenn
dies den Göttern gefällt, wird es zu besseren Ernten führen.« Wieder hielt er
inne und blickte sie in Gedanken versunken an. »Und wenn ich über das Meer zu
den Inseln der Seligen fahren müsste, um mit den Göttern zu sprechen – würdest
du mich dann an meinem
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