Die Prinzen Von Irland
zu ihm aufblicken würde, aber er blickte
mit ekstatischem Ausdruck geradeaus. Den Göttern sei Dank dafür. Nun erreichten
sie den Flügel der Druiden und stiegen hinauf. Die Druiden standen in ihren
Federmänteln am einen Ende des Hügels, während Conall in seiner rot bemalten
Nacktheit einen Augenblick allein und abseits stand, so dass alle ihn sehen
konnten. Der Hochkönig blickte nach Osten. Der Himmel entlang des Horizonts war
klar. Das war gut. Sie würden die Sonne in dem Moment, wo sie aufging, sehen.
Der Horizont begann bereits zu glühen. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern.
Drei Druiden traten
zu Conall herüber. Einer von ihnen war Larine. Auf ein Wort eines älteren
Druiden kniete Conall nieder. Der älteste und Oberdruide legte Conall eine
Garrotte um den Hals, ließ sie aber locker. Der zweite hielt ein gekrümmtes
Bronzemesser, Larine eine Keule in die Höhe.
Bei einem keltischen
Opfer musste es drei Tode geben: einen für die Erde, einen für die Luft und
einen für den Himmel – die drei Welten. Dementsprechend wurden manche Opfer
verbrannt, andere lebendig begraben, wieder andere in einem Fluss ertränkt.
Auch Conall sollte drei rituelle Tode erleiden. Aber das eigentliche Ritual
wurde auf barmherzige Art vollzogen. Denn zuerst würde ihm Larine einen Schlag
mit der Keule versetzen, der ihm die Besinnung raubte, und während Conall kaum
mehr bei Bewusstsein war, würde der Oberdruide die Garrotte festziehen, die ihn
erdrosselte. Darauf würde ihm der Krummdolch die Kehle aufschlitzen und das
Blut zum Fließen bringen, das vergossen werden musste.
Der Hochkönig blickte
zum Horizont. Die Sonne nahte. Jeden Augenblick war es so weit. Auf dem Hügel
kam Bewegung auf, die Druiden traten heran und bildeten einen Kreis um das
Opfer. Nun konnten die Zuschauer nur noch die mit leuchtenden Federn bedeckten
Rücken der Druiden und in der Mitte die Keule sehen, die Larine in die Höhe
hielt.
Und nun sah der
Hochkönig, wie die Sonne leuchtend in Richtung Tara strahlte, und wandte sich
gerade noch rechtzeitig um, dass er sehen konnte, wie die Keule herabfuhr und
mit einem Knacken verschwand, das in dem ganzen eingefriedeten Bereich
widerhallte. Darauf folgte eine lange Stille, die nur vom Rascheln der Federn
im Innern des Druidenkreises unterbrochen wurde.
Er dachte an den
kleinen Jungen und den heranwachsenden jungen Mann, den er gekannt hatte, und
an Conalls Mutter – seine Schwester. Das war hart, dachte er, und er wünschte,
es könnte anders sein. Aber Goibniu hatte Recht. Das Leben forderte ständig
Opfer.
Es war vorbei. Die
Druiden zogen sich zurück – alle bis auf die ersten drei. Larine hielt eine
große silberne Schüssel in den Händen. Conalls roter Körper sowie sein in
sonderbarem Winkel nach vorn gesackter Kopf waren zu sehen. Während der
Oberdruide den Kopf zurückzog, um den Hals zu entblößen, trat der Druide mit
dem Krummdolch flink herbei und schnitt die Kehle auf, während Larine die
Silberschale an Conalls Brust hielt und mit dem fließenden Blut seines Freundes
füllte.
Der Hochkönig sah
gebannt zu. Das Blut, so war zu hoffen, würde, sobald es über die Erde
ausgegossen war, für eine bessere Ernte sorgen. Er ließ seinen Blick über die
Menge wandern, die befriedigt zu sein schien. Da sah er Deirdre, die bei ihrem
Vater stand.
*
* *
Es
war früher Nachmittag, als Deirdre erklärte, dass sie nicht mehr bis zum Fest
des Königs bleiben wolle, sondern lieber nach Dubh Linn heimzukehren wünsche.
Sie war ziemlich
überrascht, dass niemand etwas dagegen einzuwenden hatte. Der Hochkönig, dem
ihr Vater ihren Wunsch mitgeteilt hatte, schickte ihr seinen Segen und einen
goldenen Ring. Bald darauf erschien Larine und ließ sie wissen, dass er sie
schon bald Dubh in Linn besuchen werde und dass zwei schnelle Wagen für sie
bereitstanden. Ihre zwei Brüder, das merkte sie deutlich, wären gern noch zu
dem Fest geblieben, aber ihr Vater hatte sie zum Schweigen gebracht. Sie
wusste, dass sie nun aufbrechen musste. Sie konnte nicht mehr länger in Tara
bleiben.
Und doch hatte sie,
während Conall getötet wurde, sonderbarerweise weder Schmerz noch Entsetzen
empfunden. Sie hatte gewusst, wie dieses Opfer vollzogen würde. Hatte sie nicht
ihr Leben lang das Aussondern der Tiere zum Samhain–Fest miterlebt? Nein, das
Gefühl, das sie empfand, war ein ganz anderes.
Es war Zorn.
Sie hatte ihn fast im
selben Moment in sich aufsteigen gefühlt, als Larine sie tags zuvor
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