Die Prinzen Von Irland
mir Conall entrissen hat«, erinnerte sie ihn gelassen, aber nicht ohne
Verbitterung.
»Es war sein eigener
Wunsch, mir zu folgen.«
Sie starrte ihn
sprachlos an. Er mochte inzwischen ein Bischof mit ergrautem Haar sein, aber in
diesem Augenblick sah sie nichts weiter als den stets so ruhig wirkenden
Druiden, den angeblichen Freund, der Conall überredet hatte, sie im Stich zu
lassen und sein Leben den grausamen Göttern von Tara zu opfern. Hatte die
Herbstzeit in ihr vor kurzem die Erinnerungen an jene schreckliche Zeit
wiedererweckt, so kam ihr nun in Larines Gegenwart alles – Conalls nackter, mit
roter Farbe beschmierter Leib, die Druiden mit ihren Keulen, Strangulierseilen
und Messern – auf einen Schlag so lebhaft wieder in den Sinn, dass ihr ein
Schauer über den Rücken lief.
»Ihr Druiden habt ihn
ermordet«, schrie sie voller Zorn. »Mögen die Götter euch alle verfluchen!«
Sie hatte ihn
beleidigt, aber er saß nur ruhig da und machte ein trauriges Gesicht. Eine
Weile entgegnete er nichts. Dann seufzte er.
»Es ist wahr,
Deirdre. Ich half mit, das Opfer zu vollziehen. Vergib mir, wenn du kannst.« Er
schwieg, während sie ihn weiter anstarrte. »Ich habe es nie vergessen. Ich habe
ihn geliebt, Deirdre. Erinnere dich daran. Ich habe Conall geliebt und
geachtet. Sag mir aufrichtig«, fragte er, immer noch ruhig, »hast du Albträume
über jenen Tag?«
»Ja, die habe ich.«
»Ich auch, Deirdre.
Seit vielen Jahren.« Tief in Gedanken senkte er den Blick, bevor er sie wieder
ansah und fragte: »Hältst du die Opfer, die die Druiden darbringen, für
richtig?«
Sie zuckte hilflos
mit den Schultern.
»Deirdre, ich bekenne
vor dir, dass mir nach Conalls Tod der Wunsch nach Opferungen zu vergehen
begann. Ich wollte keine mehr.«
»Du glaubst also
nicht an den Sinn dieser Opfer?«
Er schüttelte den
Kopf. »Es war entsetzlich, Deirdre, was man Conall angetan hat. Entsetzlich.
Ich empfinde einen tiefen Schmerz, wann immer ich daran denke. Und doch haben
wir, als es geschah, angenommen, dass wir es zum Besten aller taten. Ich habe
so gedacht, Deirdre, und so dachte, das kann ich dir versichern, auch Conall.«
Voller Trauer schüttelte er den Kopf. »Du weißt, Deirdre, nur hier werden
solche Opfer noch dargebracht. In Britannien, Gallien und Rom hat man sich
längst dem wahren Gott zugewandt. Unsere Götter werden dort verachtet. Und zu
Recht.« Er blickte sie ernst an. »Überleg einmal, Deirdre: Können wir wirklich
annehmen, dass die Sonne, der Himmel, die Erde und die Sterne von Wesen wie dem
Dagda mit seinem Kessel oder all der anderen Vielzahl von Göttern geschaffen
wurden, die sich nicht selten wie törichte, grausame Kinder aufführen? Konnte
diese Welt von etwas anderem als dem höchsten Wesen erschaffen werden, das so
groß, so allumfassend ist?«
Erwartete er eine
Antwort von ihr? Sie war so erstaunt, ihn auf diese Art reden zu hören, dass
sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
»Als ich noch ein
Druide war«, fuhr er ebenso ruhig fort, »hatte ich häufig solche Gefühle. Ich
spürte die Gegenwart eines ewigen Gottes, Deirdre, ich spürte es, wenn ich die
Morgen– und Abendgebete verrichtete, oder in den Momenten mächtiger Stille.
Aber nun, Deirdre, verstehe ich. All diese Gefühle kommen von dem einen, wahren
Gott, und das ist der gesamten Christenheit bekannt. Und das Wunder dabei ist,
dass keine weiteren Opferungen notwendig sind. Du weißt, nehme ich an, warum
wir als Christen bezeichnet werden?« Er stellte ihr in groben Zügen das Leben
Jesu Christi dar. »Gott gab seinen einzigen Sohn hin, auf dass er an einem
Kreuz geopfert werde. Dieses Opfer wurde für alle Menschen und für alle Zeiten
dargebracht.« Er lächelte. »Bedenke einmal, Deirdre: Kein einziges Blutopfer
ist mehr notwendig, weder von einem Menschen noch von einem Tier. Das letzte
Opfer ist bereits dargebracht. Wir sind frei. Die Zeit der Opferungen ist
vorbei.« Er ließ sie nicht aus den Augen, während er ihr diese Neuigkeit
eröffnete.
Sie schwieg eine
Weile.
»Und dies ist die
Botschaft, die du nun im Gegensatz zu den Druiden predigst?«
»Ja, das tue ich. Und
es ist eine tröstliche Botschaft. Denn der wahre Gott ist kein machtgieriger
oder rächender Gott. Er ist ein liebender Gott. Er will nur, dass wir einander
lieben und in Frieden leben.«
»Bist du der einzige
Druide, der ein Christ geworden ist?«
»Keineswegs. Einige
der Gelehrtesten unter uns interessieren sich schon seit langer Zeit dafür.
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