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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Die
christliche Kirche, musst du wissen, ist im Besitz des gesamten Wissens der
römischen Welt.«
    Deirdre war sich
immer noch nicht sicher, was sie von alledem halten sollte.
    »Aber da musstet ihr
doch alles aufgeben, woran ihr zuvor geglaubt habt?«
    »Nicht ganz. Für
einige von uns war, wie ich bereits sagte, der neue Glaube wirklich das, wonach
wir die ganze Zeit suchten. Als christlicher Priester erlebe ich die gleichen
Gefühle. Die Welt ist noch genauso voller Poesie. Erinnerst du dich an die
Worte aus Amairgens großem Gedicht:
    Ich
bin Wind auf Meer
Ich bin Ozeanwoge
Ich bin Tosen der See…
    Einer unserer
Bischöfe hat eine Hymne auf den Schöpfer aller Schöpfung – ich meine: auf den
einen Gott – gedichtet, und einer ihrer Verse ist ergreifend schlicht. Hör dir
das an:
    Ich
erhebe mich heute
durch des Himmels Kraft:
der Sonne Licht,
des Mondes Helle,
des Feuers Leuchten,
des Blitzes Schnelle,
des Windes Eile,
des Meeres Tiefe
der Erde Festigkeit
des Felsens Härte .
    Die Inspiration ist
die Gleiche, aber wir erkennen ihre wahre Quelle.« Er zeigte schmunzelnd auf
seine hoch geschorene Stirn. »Du siehst, als christlicher Priester musste ich
mich nicht einmal von meiner Druidentonsur trennen.«
    »Das habe ich wohl
gesehen.« Dann machte sie wieder ein fragendes Gesicht. »Und wer hat dich
bekehrt?«
    »Oh, eine gute Frage!
Ein Mann, genannt Sankt Patrick, ein Bischof. Ein großer Mann. Das Gedicht
stammt übrigens von ihm.«
    »Du hast gesagt, du
bist gekommen, um mich und meinen Sohn zu sehen. Willst du uns etwa bekehren?«
    »Nach allem, was
geschehen ist, bin ich es Conall schuldig, dir und seinem Sohn die Frohe
Botschaft, das Evangelium, zu bringen.«
    Sie nickte bedächtig.
Ja, dachte sie, ja: Dies könnte vielleicht die Lösung sein. Larine, der alte
Freund seines Vaters, war vielleicht der Mann, der ihr einen Ausweg aus ihrem
Dilemma mit Morna und dem Samhain–Fest weisen konnte. Zumindest, dachte sie,
war es einen Versuch wert. Daher sagte sie nun, während sie ihm unverwandt in
die Augen sah: »Du musst eines verstehen, Larine: Morna hat nie erfahren, wie
sein Vater starb. Ich konnte es nicht über mich bringen, ihm das zu erzählen.
Wir alle glaubten, dies sei zu seinem Besten. Daher weiß er nichts davon.«
    »Ich verstehe. Aber
willst du damit sagen, dass ich ihm auch nichts davon erzählen soll?«
    »Nein, Larine, ich
glaube, es ist an der Zeit, dass er es erfährt. Und ich möchte, dass du es ihm
sagst. Wirst du das tun?«
    »Wenn es dein Wunsch
ist, ja.«
    »Erzähl ihm, was
wirklich geschehen ist, Larine. Erzähl ihm, wie der Hochkönig und seine Druiden
seinen Vater ermordet haben. Erzähl ihm, wie gemein das Ganze war«, fügte sie
leidenschaftlich hinzu. »Erzähl ihm, wenn du Lust hast, von deinem neuen und
besseren Gott. Sag ihm aber vor allem, dass er nur ja nicht dem König und den
Druiden unter die Augen kommen soll. Wirst du das für mich tun?«
    Schien sich Larine,
und sei es nur für einen flüchtigen Augenblick, zu genieren? »Ich will tun, was
ich kann«, meinte er schließlich vorsichtig.
    »Wunderbar«, sagte
sie schmunzelnd. Und während sie sich fragte, ob sie Larine die ganze
Geschichte von der königlichen Einladung erzählen und ihn um Rat fragen sollte,
wurde ihre Unterredung jäh unterbrochen: Morna selbst stand in der Tür.
    »Wer sind diese
Besucher?«, fragte er.
    *
* *
    Was
für ein Wunder, dachte Larine, während er neben dem jungen Mann den Abhang zum
Wasser hinunterschritt. Er war in der Erwartung nach Dubh Linn gekommen, eine
schmerzliche Erinnerung gewissermaßen begraben zu können; stattdessen wurde vor
seinen Augen die Vergangenheit mit einer Lebhaftigkeit lebendig, die beinahe
erschreckend war.
    Denn Conall selbst
war es, der neben ihm schritt. Morna hatte zwar die seltsamen grünen Augen
seiner Mutter. Aber mit seinem dunklen Haar, seinen edlen Zügen und der markant
geschwungenen Nase war er Conall wie aus dem Gesicht geschnitten. Es war, als
wäre sein Freund von den Toten auferstanden. Gott im Himmel, er hatte sogar die
sanfte Stimme seines Vaters!
    Es war recht leicht,
das besagte Thema anzuschneiden. Denn sowie Morna erfuhr, dass Larine ein
Freund seines Vaters gewesen war, wollte er alles erfahren, was der einstige
Druide über ihn zu sagen hatte. Er war fasziniert, als er von der poetischen
und gottesgläubigen Natur des Prinzen hörte. »Ich hatte ihn mir immer nur als
einen Krieger vorgestellt«, sagte Morna.
    »Er war auch ein
Krieger,

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