Die Prinzen Von Irland
plötzlich
ausbrechenden üblen Gefühl im Magen, wer der Anführer war.
Es war Larine.
Gewiss kam er vom
Hochkönig.
Langsam ritt er den
Weg zum Rath herauf. Er hatte sich kaum verändert. Sein Haar war immer noch zu
der gleichen Tonsur geschoren, seine Miene strahlte immer noch Ruhe und
Nachdenklichkeit aus. Während er immer näher kam, sank Deirdre das Herz. Als er
fast den Eingang erreicht hatte, geschah etwas Sonderbares. Die britischen
Sklaven – sie waren inzwischen ein halbes Dutzend – liefen ihm entgegen und
warfen sich vor ihm auf die Knie. Während er an ihnen vorüberritt, wandte er
sich um und machte mit ernster Miene ein Kreuzzeichen über ihren Köpfen. Einen
Moment später saß er ab und stand vor ihr.
»Was wünschst du,
Larine?«, fragte Deirdre, die ihre Unruhe kaum verbergen konnte.
»Nur dich und deinen
Sohn zu sehen«, antwortete er ruhig.
Also doch. Er war
gekommen, um sie nach Tara zu bringen. Nur eines kam ihr merkwürdig vor: Alle
Sklaven standen herum und machten strahlende Gesichter.
»Warum sind unsere
Sklaven hier vor dir auf die Knie gefallen?«
»Weil sie Briten
sind, Deirdre. Sie sind Christen.«
»Und warum würden sie
da vor einem Druiden auf die Knie fallen?«
»Ach!« Er
schmunzelte. »Du weißt es also gar nicht. Ich bin ein Christ, Deirdre.« Er
hielt inne. »Ich bin sogar ein Bischof.«
Verwirrt starrte sie
ihn an.
»Aber kommst du denn
nicht im Auftrag des Hochkönigs?«
Er blickte sie mit
einem Ausdruck der Überraschung an. »Vom Hochkönig? Keineswegs. Ich habe ihn
schon viele Jahre nicht mehr gesehen.« Er nahm sie sanft am Arm. »Ich sehe, ich
sollte mich besser erklären. Können wir nicht hineingehen?« Er gab seinen
Männern ein Zeichen, auf ihn zu warten, und schritt voran.
Der lange Stab, den
sie für einen Dreizack gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Kreuz. Der junge
Mann, der es stolz in seinen Händen trug, blieb mit den beiden anderen Dienern
draußen, während sie Larine ins Haus führte. Wie konnte aus dem Druiden auf
einmal ein Christ geworden sein? Deirdre versuchte sich zu erinnern, was sie
über diese Christen wusste.
Die Römer waren
Christen. Das wusste jeder. Wie viele Menschen auf der westlichen Insel hatte
sie vage angenommen, dass mit dem Zusammenbruch all dessen, was jenseits der
Meere einmal römisch war, auch das Christentum an Bedeutung verlieren würde.
Kurioserweise war aber das Gegenteil der Fall gewesen. Von Leuten auf den
Handelsschiffen, die gelegentlich an dem Landeplatz in Dubh Linn auftauchten,
hatte ihr Vater gehört, dass die christlichen Kirchen in Gallien und sogar in
Britannien weit davon entfernt waren, die Waffen zu strecken, und die Unruhen
und Invasionen geradezu als Herausforderungen für ihre Religion zu betrachten
schienen. Sie wusste, dass es auch auf ihrer Insel, und zwar im Süden, einige
Christen gab. Sie erinnerte sich auch wieder, wie ihr Vater nach seiner
Rückkehr von einer Reise gesagt hatte: »Kaum zu glauben, aber jetzt haben wir
in Leinster noch eine weitere Gruppe von Christen. Es sind nur wenige, aber der
König von Leinster hat ihnen erlaubt, sich hier niederzulassen.« Während die
christlichen Priester anfangs nur unter den Sklaven ihre Lehre verbreiteten,
hörte man im Laufe der Jahre immer häufiger, ein Clanhäuptling oder dessen Frau
sei zu diesem Glauben übergetreten. »Eine Gruppe von Christen hat sogar vor, in
Sichtweite eines Druidenheiligtums ein Gotteshaus zu errichten. Könnt ihr euch
das vorstellen?«, hatte er einmal ihr und ihren Brüdern erzählt.
Und wenn sie geglaubt
hatte, dass Fergus diese ausländischen Übergriffe leidenschaftlich verurteilen
würde, so musste sie zu ihrer Überraschung feststellen, dass seine Reaktion
ziemlich mild ausfiel. Als sie ihn gefragt hatte, wie der König von Leinster so
etwas erlaubt haben konnte, hatte er sie versonnen angesehen und bemerkt:
»Vielleicht ist der König sogar erfreut über diese Entwicklung, Deirdre. Wenn
die Druiden zu mächtig werden, dann kann er ihnen mit den Christen den Wind aus
den Segeln nehmen.« Aber selbst Fergus wäre wohl erstaunt gewesen, wenn er
miterlebt hätte, dass Larine nun als christlicher Bischof den Rath betrat.
Als sie sich setzten,
sah er sie mit freundlichen, doch forschenden Blicken an, sprach ihr sein
Beileid über das Ableben ihres Vaters aus, stellte fest, dass sie blendend
aussehe, und bemerkte in einem sachlichen Ton: »Du hast Angst vor mir,
Deirdre.«
»Schließlich warst du
es, der
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