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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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durch die dünne Schneedecke auf dem Gehsteig den Heimweg an. Sie tapste in die Fußabdrücke, die sie auf dem Hinweg hinterlassen hatte, als spielte sie ein Spiel oder wollte möglichst wenig Spuren hinterlassen. Am Ende des Blocks drehte sie sich um und winkte, und Alfredos Hand – ohne seine Erlaubnis, vollkommen selbstständig – schnellte hoch und winkte zurück.
    In der folgenden Nacht waren die Temperaturen noch tiefer gesunken und wieder – scheiß auf die Vereinbarung – weigerte Winston sich, ganz alleine in der Gasse zu hocken. Wenn er sich schon totfror, wollte er zumindest ein bisschen Gesellschaft haben, jemanden, mit dem er von Eisblock zu Eisblock reden konnte. Also standen er und Alfredo an genau demselben Fleck (vor der Bodega) und taten genau dasselbe (Drogen an nichtexistente Kunden verkaufen), als Isabel wieder um die Ecke bog.
    Im Flüsterton sagte Winston, »Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.«Dann verschwand er. Der Hurensohn. Alfredo wollte ihn noch packen – Hiergeblieben! – aber Winston schlängelte sich weg und versteckte sich im Süßwarenladen. Einsam und verlassen sah Alfredo zu, wie Isabel näher kam.
    Aus einer Entfernung von ungefähr einem Meter warf sie ihm seine Mütze zu, die er, übereifrig wie immer, nicht zu fassen bekam. Als er sich bückte, um sie aufzuheben, sah er, dass die Mütze sauberer, heller aussah, als wäre die Zeit auf Isabels Kopf für sie ein erholsamer, dringend benötigter Urlaub gewesen.
    So wie sie am Abend davor hielt er sich die Mütze an die Nase und roch daran. »Du hast sie gewaschen«, sagte er.
    »Eigentlich riech ich so.«
    »Echt?«
    »Nee, ich hab sie gewaschen.« Offenbar neigte sie wie Alfredo dazu, über die eigenen Witze zu lachen. »Danke fürs Leihen«, sagte sie. »Das war echt nett von dir. Echt nett.«
    »Na ja, hätte nicht gedacht, dass du sie tatsächlich nimmst, als ich sie dir angeboten habe.«
    Statt zu lachen, was sie eigentlich sollte – aber es war ja auch nicht ihr Witz –, fragte sie Alfredo, ob er Dioramen möge, und Alfredo antwortete natürlich mit der Frage: »Dioramen?«
    »Ich fahre morgen ins Naturkundemuseum«, sagte sie. »In Manhattan. Da gibt’s Riesendioramen mit Antilopen und Höhlenmenschen und so. Und Dinosaurier. Die Knochen davon. Keine Ahnung. Ich dachte, falls du so was magst, vielleicht willst du mitkommen.«
    »Du hast einen Freund.«
    »Ich bitte dich nicht um ein Date, du Penner.« Sie zog ihm die Mütze aus den Händen und setzte sie auf. »Hast du keine, na ja, weiblichen Freunde?«
    »Nein.«
    Er verstand wirklich nicht, warum sie mit ihm was unternehmen wollte – und versteht es immer noch nicht –, aber damals hatte er sich gesagt, dass er sie trotz seiner knappen Pole-Position in Sachen Müffeln an Jose erinnerte. Mehr nicht. Da ihr Freund hinter Gittern saß, begnügte sie sich damit, mit dem Nächstbesten herumzuhängen: seinem kleinen Bruder. Der Vergleich schmeichelte Alfredo. Und die Vorstellung eines weiblichen Freundes war eigentlich ganz nett. Vielleicht würde sie ihm helfen, ein paar coolere Jeans zu finden, ihn vielleicht hier und da mal aus dem Viertel rauskriegen, um sich ein bisschen Kultur anzugucken und so, ausländische Filme und Ausstellungseröffnungen und Dioramenmuseen und Opernlogen mit diesen Miniferngläsern am Stiel.
    Am nächsten Morgen holte er sie zu Hause ab, dann fuhren sie mit der Linie E, dann der C, zur 81st Street. Sie gingen durchs Naturkundemuseum, bis er über wunde Füße klagte – echte Memme, weißt du noch? –, und aßen Hühner-Nudel-Suppe in der Cafeteria im vierten Stock, wo sie sich in Schlürfpausen darauf einigten, dass das Allerbeste, was sie heute gesehen hatten, das fast dreißig Meter lange Modell eines Blauwals gewesen war, das im Saal der Ozeane an Stahlseilen von der Decke hing. Sie stellten sich vor, wie es wäre, neben einem solchen fetten Monster zu schwimmen, das das Maul weit geöffnet hatte und drohte, sie zu verschlucken.
    Im Laufe der nächsten paar Wochen fuhren Isabel und Alfredo immer häufiger nach Manhattan, das weit weg erschien. Sie gingen überallhin. Zum Times Square und Union Square, nach Chelsea, zum Bryant Park und ins Guggenheim, dieser Rollschuhbahn. Sie kauften sich heiße Schokolade bei City Bakery. Sie saßen in der Lobby des Hotel Pierre und taten so, als warteten sie auf irgendeinen berühmten Freund. Sie gingen zu FAO Schwarz, damit Isabel auf dem riesigen Fußbodenklavier tanzen konnte wie Tom

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