Die Prinzen von Queens - Roman
Hanks in Big , aber die Schlange war zu lang, weshalb sie stattdessen durch den Central Park schlenderten. Sie führte ihn sogar zu der Videothek, wo sie arbeitete, aber sie gingen nicht hinein, denn was gab’s da schon zu sehen? Während ihrer ersten paar Expeditionen redeten sie entweder über Jose oder versuchten, sich in Sachen Humor gegenseitig in die Tasche zu stecken, die Witze des anderen zu toppen – als Alfredo und Isabel allmählich lockerer miteinander wurden, verschwand dieser Drang. Er erzählte ihr von seiner beträchtlichen Sammlung an Phobien und sie ihm die ganze Geschichte mit ihrer Mutter, der Puta, und Raul, dem Kubaner. Als sie über die Zukunft sprachen, stellten sie fest, dass sie beide bereit waren für ein Erdbeben, dafür, dass das Leben ihnen etwas Neues brachte, eine dramatische Umwälzung, wobei beide noch nicht erkannten, dass genau das hier das Neues, die dramatische Umwälzung war.
An einem Samstagabend Ende Februar fuhren Isabel und Alfredo – als Freunde, als Freunde! – nach Greenwich Village, wo er in einem Edel-Jazzclub einen Tisch reserviert hatte. Anderthalb Stunden saßen sie in obligatorischem Schweigen da, tranken Screwdriver für sieben Dollar (immerhin wollte niemand ihre Ausweise sehen) und lauschten dem angeblich weltberühmten Darren Gelato Trio. Es war unfassbar langweilig. In der Pause, die Rechnung lag auf dem Tisch, zog Isabel Alfredo auf eine Zigarette nach draußen. Du rauchst?, fragte er. Nicht wirklich, sagte sie. Und während sie ihre Handtasche nach einer Phantompackung Zigaretten durchsuchte, lotste sie ihn an den Türstehern vorbei, schlenderte bis zum Ende des Blocks, bog um die Ecke und rannte los.
Alfredo rannte ihr nach. Sie war noch nie ohne zu bezahlen abgehauen, kein einziges Mal, hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas Derartiges getan. Betrunken von Adrenalin flog sie den Gehsteig entlang. Etwas in Alfredos Brust spannte sich an. Seine Ohren summten. Vier Wodka-O und neunzig Minuten Jazz – alles geklaut. Er wusste, dass er, wenn er weiterrannte, kollabieren würde, mitten auf der Sixth Avenue. »Warte«, sagte er und hielt sie am Mantel fest.
Sie drehte sich um, stärkte sich mit einem schnellen Atemzug und beugte sich zu ihm vor, wobei sich ihr Mund sanft öffnete. Er dachte, sie wolle ihm etwas sagen. Um sie besser hören zu können, drehte er ihr das Ohr zu, so dass sie seine Lippen verfehlte, und ihn versehentlich auf den Mundwinkel küsste. Zutiefst verlegen versuchte er es zu erklären. Ich dachte, du wolltest mir was sagen. Ich dachte, du hättest was gesagt! Sie bat ihn, doch bitte mit dem Herumgedruckse aufzuhören. Packte ihn am Kinn und küsste ihn noch mal, erwischte ihn diesmal – Gott sei Dank! – voll auf den Mund. Als sie den Kopf zurückzog, standen ihre Augen weit offen. Sie wurde rot, jetzt war sie an der Reihe, verlegen zu sein.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Es ist bloß, ach, keine Ahnung. Tut mir leid. Ist das okay? Ich wollte es bloß einfach, glaube ich. Ist das okay, was ich gerade gemacht habe?«
Er senkte den Blick und sah seine Hände auf ihren Hüften. Sein Verstand stotterte. Er zog sie zu sich heran und zusammen fielen sie rückwärts gegen den Zaun der Basketballplätze an der West Fourth Street. Der Maschendraht fing sie auf, hielt sie aufrecht. Sie rückte ihm die Brille im Gesicht zurecht. Dann küsste sie ihn wieder, küsste ihn auf den Mund, den Hals, drückte ihm einen Schenkel zwischen die Beine. Weil sie es wollte. Er schob die Hand in den Ärmel ihres Mantels, um die Wärme ihrer Haut zu spüren. Sie lachte. Sie trug seine Wollmütze und er zog sie herunter bis über ihre Augen – Bestätigung dafür, wie sie ihm später sagte, dass er der Richtige für sie war. Er war innerlich ganz ruhig. Er war glücklich, als ihre Küsse seitlich an seinem Hals hinaufwanderten. Gleich um die Ecke vom Jazzclub, bloß ein paar Meter von den hünenhaften Türstehern entfernt, die unbezahlte Rechnung noch auf dem Tisch, ging Isabel nah an Alfredos Ohr heran und flüsterte: »Und wenn sie uns erwischen?«
D a hat man’s. Alfredo hat also weder bei diesem ersten Kuss die Initiative ergriffen noch jemals seinen Bruder bei der Polizei hochgehen lassen, seither aber bei zahllosen Küssen den ersten Schritt gemacht, und wie er so neben Tariq auf dem Rücksitz dieses Taxis sitzt, beschließt er, ihn heute Nacht sehr wohl hochgehen zu lassen. Genau das zu tun, was er vor zweieinhalb Jahren nicht getan hat.
»Pass
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