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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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er machen? Sein Körper verbietet ihm, einfach in den Ring zu steigen – alle Halsbänder und Leinen sind jetzt abgenommen –, außerdem ist bei der Meute vor ihm schlicht kein Durchkommen. Alfredos Freunde und Halbfreunde belagern den Ring, haben sich wie eine Schlinge um ihn gelegt. Er stellt sich auf die Zehenspitzen und sieht, wie sein Bruder den Hund beim Nacken packt. Tariq bewegt schnell und konzentriert die Lippen, als sagte er irgendeinen Zauberspruch auf. Schweiß tropft ihm vom Kinn, und Alfredo wischt sich in unbewusster Teilnahme über das eigene. Tariq küsst den Hund, der wie ein verwirrter Teenager versucht, sich zu befreien, auf den Kopf, zwischen die Ohren. Immer näher rutschen sie an die Mittellinie heran. Der Pitbull stemmt sich auf kraftvollen Beinen nach vorne, die Lefzen zurückgezogen. Von der anderen Seite der Linie aus schnappt Diana nach seiner Schnauze. Die Menge zieht sich noch enger zusammen, was Alfredo für unmöglich gehalten hätte. Als er einen Schritt nach vorne macht, tun die Hunde es ebenfalls. Bis an die Mittellinie. Ihre Schnauzen berühren sich nun fast. Alex und Tariq bemühen sich, sie auseinanderzuhalten und in ihre jeweilige Ecke zurückzuzerren. Und genau in diesem Moment, als der Magnetismus zwischen den Hunden am stärksten ist, lassen die beiden Führer los.
    Im Nachhinein, im Rückblick auf diese Nacht, wird sich jeder an das Krachen des Aufpralls erinnern. Die Art und Weise, wie die Hunde, beide in der Luft, genau in der Mitte des Rings zusammenstießen. Wie der Knochen des einen Hundeschädels gegen den Knochen des anderen Hundeschädels trümmerte.
    Der Kopf des Pitbulls hängt in einem seltsamen Winkel am Körper. Es sieht aus, als wolle er sich sein Hinterteil einmal genauer ansehen, bringe aber nicht die nötige Kraft dafür auf. Das ist unfair, will Alfredo rufen. Er sieht zu seinem Bruder hinüber, der außerhalb des Rings steht, den Fuß auf einer Kiste, die Arme vor der Brust verschränkt. Das ist unfair! Ganz offenkundig hat sich der Hund, als die beiden in der Luft zusammengeprallt sind, irgendwas am Rückgrat angeknackst. Man muss sich nur mal den Hals angucken. Sich angucken, wie er sich überhaupt nicht gegen Diana verteidigen kann, die ihm ins Gesicht beißt. Blut rinnt ihm die sommersprossige Schnauze hinunter. Dicke schwarze Tropfen fallen auf Max’ Fußboden. In Alfredos Vorstellung hatten die Hunde gebellt, während die Meute schwieg, aber es ist genau umgekehrt. Alles brüllt durcheinander, während die Hunde vollkommen ruhig sind. Diana stellt die Vorderläufe auf den Schädel des Pitbulls. Er windet sich heraus, duckt sich weg, den Körper zur Seite gedreht, die Rippen stechen hervor, der Kopf schleift auf dem Boden. Sie setzt nach und reißt ihm ein Stück vom Ohr ab. Beißt ihm erneut ins Gesicht. Seine Unterlippe hängt ihm lose am Maul, wie mit Metzgerschnur befestigt. Sieht zerkaut aus. Diana spaltet ihm die Nase. Zerfleischt ihm das Gesicht, das pink und rot wird und zwischen den Augen ein bisschen gelb. Als er sich in eine Ecke des Rings schleppt, zu Tariq, folgt sie ihm. Ohne ein Kläffen oder Winseln sinkt er auf den Rücken. Zeigt ihr das Weiß seines Bauches, im Tierreich das universelle Zeichen für Unterwerfung. Sie beugt sich zu ihm herab und reißt ihm den Bauch auf.
    Tariq wendet sich ab, aus seinem Gesicht ist jegliche Farbe gewichen. Er hält die Leine in den Händen und spielt damit, wickelt sie sich erst um die eine Hand, dann um die andere, zieht sie straff. Seine Lippen bewegen sich. Er taumelt rückwärts, und Alfredo eilt zu ihm. Er hat keine Ahnung, was los ist, aber sein Bruder geht gerade aus dem Leim, wie er es bei ihm noch nie gesehen hat. Als hätte er aufgehört zu atmen, und Alfredo muss zu ihm, muss ihn beatmen. Rein instinktiv kämpft er sich durch die Menge, teilt mit den Ellbogen aus, wo es nötig ist. Tariq fährt zusammen, als Alfredo ihn an der Schulter packt. Seine leeren, geweiteten Augen starren Alfredo an, als würde er ihn nicht mehr erkennen.
    »Es ist alles verkehrt«, sagt Tariq. »Total verkehrte Welt.«
    Alfredo kann ihn kaum hören. Der Lärm ist explodiert: Diana triumphiert im Ring, während alle anderen durchdrehen, nach einem Wischmop brüllen, einem Müllsack, einem Eimer mit Seifenlauge, irgendwas, irgendetwas, womit man diese Schweinerei beseitigen kann. Tariqs Lider zucken. Seine Knie knicken ein, und Alfredo muss ihn stützen. Tariq schüttelt den Kopf und bewegt die Lippen, aber

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