Die Prinzen von Queens - Roman
Stunden hatte er genau eine Transaktion abgewickelt, ein Zehn-Dollar-Tütchen an einen Jugendlichen namens AIDS verkauft. Alfredo wollte nach Hause, mit Isabel in die Federn sinken, mit den beiden Eisbergen kämpfen, die sie Füße nannte. Doch stattdessen folgte er wie ein guter Junge Max Marshmallow in den Süßwarenladen.
Auf dem Tresen wartete auf Alfredo eine aufgeschlagene Zeitung.
»Sieh dir das an«, sagte Max. Er zeigte auf das AP-Foto eines Schwarzen mit verschwitztem Gesicht, der mit beiden Händen ein Mikrofon umklammert hielt. »Weißt du, wer das ist?«, fragte Max und wartete die Antwort gar nicht erst ab. »DMX. Steht zumindest hier. Dark Man X. Hörst du seine Musik?«
»Eigentlich nicht«, sagte Alfredo. »Der kommt aus Yonkers. Ich hör keine Rapper aus Yonkers.«
»Ich hab davon überhaupt keine Ahnung«, sagte Max. »Aber hier steht« – er schaute auf seinen Finger, als wolle er sich vergewissern, dass die Bildunterschrift noch da war und nicht zu der Unterwäsche-Werbung auf die andere Seite gewechselt hatte – »hier steht, dass seine Texte sehr umstritten sind. Mir alles piepe, aber es hat mich auf eine Idee gebracht. Jede großartige Idee – hab ich dir das schon mal gesagt? – jede großartige Idee, kommt dir beim Zeitunglesen. Ich lese vier Zeitungen am Tag. Die Post , Newsday , die Daily News und die New York Times . Die Times ist die beste. Wenn ich Spanisch könnte, würde ich eure El Diario lesen.«
»Max«, sagte Alfredo.
»Na ja, jedenfalls guck ich mir diesen DMX-Typen an und komm so ins Grübeln. Platz genug hab ich unter dem Laden. Würd gern was in Richtung Glücksspiel anleiern, mit Glücksspiel kann man ne Menge verdienen. Aber dann sagst du mir, wir brauchen was, was deine Freunde im Internet nicht kriegen. Also Alfredo, eine Frage – was weißt du über Hundekämpfe?«
»Hundekämpfe?«
»Hundekämpfe«, sagte Max.
»Ich weiß gar nichts über Hundekämpfe«, sagte Alfredo. »Ich kenn nicht mal einen, der bei einem dabei war.«
»Ja, aber denk mal eine Sekunde nach. Stell dir vor, welchen Eindruck das bei Jose machen würde.«
»Tariq«, verbesserte Alfredo.
»In Ordnung, stell dir vor, welchen Eindruck das bei Tariq machen würde.«
Alfredo stellte es sich vor. Stellte sich vor, wie Tariq am Samstagabend, dem Abend seiner Rückkehr, in den Keller runtergeht, Hunde schnappen in die Luft, mittendrin Alfredo mit erhobenen Armen, ein Bündel Scheine in der Faust. So etwas könnte Tariq tatsächlich imponieren, einem Mann, der ausschließlich Kraft und Gewalt respektiert. Er würde sehen, dass Alfredo nicht mehr der speckgesichtige Siebzehnjährige ist, den er zurückgelassen hat. Der kleine Bruder ist erwachsen geworden. Ein Macher im Viertel. Ein Hundekampf-Impresario, der nicht so leicht einzuschüchtern ist.
»Ich weiß nicht«, sagte Alfredo. »Aber vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht.«
Ein kleiner Panikstrom durchzuckte Max’ Gesicht. »Ernsthaft?«
»Du meinst das doch ernst, oder?«, sagte Alfredo. »Ich will hier nichts anleiern, solange ich nicht weiß, ob es dir auch ernst ist.«
Max biss in einen Marshmallow, und für einen kurzen Augenblick tat Alfredo der alte Mann leid, der Tag und Nacht nichts anderes tat, als sich irgendwelche krummen Dinger mit Kreditkarten, Telefonkarten, Bürgschaften, Ehebetrügereien oder Glücksspieltricks auszudenken, ohne je die Absicht zu haben, irgendetwas davon auch tatsächlich durchzuziehen. Er war auch bloß eine Labertasche. Ein Tresenfurzer, der versuchte, sich vor den scharfen Zähnen der Langweile zu schützen.
»Meinst du’s denn ernst?«, sagte Max.
»Bin mir nicht sicher«, sagte Alfredo. »Glaub schon.«
»Dann, glaub ich, bin ich es auch«, sagte Max. »Warum nicht, stimmt’s?« Er rollte die Schulterblätter nach hinten. »Ziehen wir’s durch.«
Danach ging alles ziemlich schnell.
Alfredo trat vor die Tür und rief die ABC-Brüder an, die einzigen, von denen er gehört hatte, dass sie einen Pitbull besaßen. Er fragte, ob sie vielleicht Interesse an einem Hundekampf hätten, nach Möglichkeit schon kommenden Samstagabend. Gewalt und totales Chaos? Na klar hatten sie Interesse. Einen kleinen Haken gab es allerdings: Sie hatten keinen Pitbull, sondern einen deutschen Schäferhund. Ob das ein Problem sei? Absolut nicht! War im Grunde sogar viel besser. Pitbull gegen deutschen Schäferhund war eine viel unerwartetere Paarung und kam deshalb, dachte Alfredo, viel authentischer
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