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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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hatte. Sein Gras direkt bei Baka kaufte, Juniors alter Connection. Im ganzen Viertel wurden die Augenbrauen hochgezogen. Na also, sagten die Labertaschen. Da habt ihr euer Motiv. Neid. Zweitälteste Geschichte der Welt. Alfredos schrumpfendes Unterstützergrüppchen fand das lachhaft. Jose ist im Gefängnis! Und sein Bruder darf sich nicht ein paar Dollar verdienen? Vielleicht hat Jose ja Baka und Alfredo selbst zusammengebracht. Darüber schon mal nachgedacht? (Schriller werdende Stimmen, brechende Stimmen.) Herrgott noch mal – so’n Scheiß passiert doch jeden Tag.
    Beinahe unmöglich, diesen Standpunkt zu vertreten, wurde es, nachdem man Alfredo dabei ertappt hatte – in Manhattan, am South Street Seaport –, wie er und Isabel Guerrero einander die Mandeln kitzelten, ja, ganz recht, Isabel Guerrero, Joses Freundin Isabel Guerrero.
    Fuck, sagten Alfredos Fürsprecher.
    Liebe, sagten die Labertaschen und rieben sich die Hände. Älteste Geschichte der Welt.
    Und dann – als wär’s ein Geschenk der Tratsch-Götter – wurde Izzy schwanger, und die Gerüchteküche explodierte. Einige der geschwätzigsten Labertaschen müssen mit blutigem Zahnfleisch zu Bett gegangen sein, Eisbeutel auf die überlasteten Kiefer gepresst. Müssen Kräutertee trinkend, direkt aus der Kanne, Tage gebraucht haben, um sich zu erholen. Dank ihrer Anstrengungen bekamen die Gerüchte Beine, verließen das Viertel, verbreiteten sich bis an die Grenzen von Queens und schließlich weiter nach Norden. Wie konnte es auch anders sein? Ständig wurde jemand verhaftet, und die meisten kamen nach Woobourne oder Sing Sing oder Attica oder Otisville oder Bedford Hills, ein paar jedoch wurden im Bus nach Fishkill gekarrt, und von denen sahen alle – da war Alfredo sich sicher –, kaum hatten sie einen Fuß aus dem Bus gesetzt, seinen Bruder. Breites Grinsen auf ihren bescheuerten Visagen.
    Und, schon gehört, Alter? Schon gehört?
    Alfredo fragte sich, wie oft sein Bruder diese Nachricht schon bekommen haben musste. Und, verdammt noch mal, wie viel Spaß die anderen Insassen dabei hatten. Wurde es plötzlich still an den Tischen, wenn Tariq, auf dem Tablett einen Hamburger mit schlappem Salatblatt, durch den Speisesaal ging? Oder brachen sie in Gelächter aus? Wussten die Wärter davon? Zogen sie ihn damit auf? Wenn Alfredo nicht schlafen konnte – was jede Nacht der Fall war –, plagte er sich mit diesen Fragen, und jedes Mal führten sie ihn an denselben Punkt, zu der einen großen Superhauptsorge, der Mutter aller Fragen: Was wird Tariq tun, wenn er nach Hause kommt?
    Tja, willkommen im Klub, Dito. Genau das würde jeder gerne wissen. Während sie im Billardcafé die Pomeranzen ihrer Queues einkreideten, bei Gianni’s ihre Pizzastücke falteten, sich bei Headz Ain’t Ready die Haare schneiden ließen, auf dem Bahnsteig auf die 7 warteten, Straßenlaternen mit ihren Tags versahen, Zigarren für einen Joint aushöhlten, auf Barhockern, Milchkisten, Campingstühlen und Vortreppen saßen, spekulierten die Labertaschen darüber, wie die Batista-Brüder ihr bevorstehendes Wiedersehen wohl begehen würden. Tariq konnten sie nicht fragen, aus naheliegenden Gründen. Alfredo hingegen war stets vor der Gasse anzutreffen. Dem konnten sie auf die Schulter tippen und direkt fragen. Taten sie aber nicht. Irgendwie war es weniger unhöflich – und machte auf jeden Fall mehr Spaß –, hinter seinem Rücken über ihn zu reden. Jeder wollte wissen, was er vorhatte, aber keiner wollte direkt auf ihn zugehen und nachhaken.
    Außer Max Marshmallow. Unhöfliche Fragen? Bitte gern. Er war zweiundsiebzig. Und unhöfliche Fragen zu stellen, war genau sein Metier.
    A m vergangenen Sonntag, die Geschäfte an der Ecke liefen schleppend bis gar nicht, betrat Alfredo eine Bodega, die bis in die Nacht hinein geöffnet hatte, um im Zeitschriftenregal zu stöbern. Das war Tage bevor Alfredo von Vladimir Shifrin auch nur gehört hatte. Max Marshmallow, der Besitzer, saß hinterm Tresen und las vier verschiedene Zeitungen – seine nächtliche Recherche für ein Buch, das er seit Ewigkeiten in Planung hatte, Finten, Maschen, Tricks und Kniffe: Eine umfassende Geschichte krummer Dinger in New York . In der einen Hand hielt er einen gelben Textmarker, in der anderen eine Schere mit roten Griffen. Als Alfredo den Laden betrat, legte er beides zur Seite.
    »Wie geht’s der wunderschönen Frau Mama?«, sagte Max.
    »Lass stecken«, sagte Alfredo. Er stand mit dem Rücken zum

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