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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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erfahren, und weil ein Winston, der abschmiert, ein Klotz am Bein ist, weil es, auch wenn es Alfredo gegen sämtliche Überzeugungen geht, manchmal einfacher ist nachzugeben – entschließt Alfredo sich, eine Pille abzugeben. Er verschwindet mit Winston um die Straßenecke, wo niemand sie sehen kann. Und wo es schlimmer stinkt als bei einer Kuh aus dem Arsch. Verdammt! Die Obst- und Gemüsehändler müssen unerlaubterweise ihre überreifen Waren in den Rinnstein geschmissen haben, und jetzt wabert der Verwesungsgeruch unterm Gehsteig hoch. Alfredo würde sich die Nase zuhalten, braucht aber beide Hände, um den Deckel des Beepers abzuziehen. Wie jeder Zaubertrick, den man zum zweiten Mal sieht, hat auch dieser erheblich an Faszination verloren. Alfredo klaubt eine Pille aus dem Gerät, aber bevor er sie in Winstons geöffnete Handflächen fallen lässt, wirft er noch einen Blick darauf. Er hält sich das X direkt vors Gesicht, um es zu inspizieren, und ihm bricht der kalte Schweiß aus. Er hat das starke – sowohl verängstigende als auch erheiternde – Bedürfnis, Winston den Schädel einzuschlagen.
    Was Alfredo auf der Pille sieht, mittig hineingestanzt in ihre kreidige Oberfläche, ist dies:
    ∞
    Ein Logo. Ein Markenzeichen. Eine Tätowierung, die alle anderen Pillen im Beeper auch tragen. Was bedeutet, dass Winstons Geheimdienstbericht falsch war. Die Pillen kommen sehr wohl mit Logos in den Verkauf und, was noch schlimmer ist, einem Logo, das Alfredo wiedererkennt, denn es prangt nicht nur auf allen Es von Vladimir, sondern auch auf denen von Baka. Heißt also, entweder Boris zieht seinen Laborkittel über, köchelt ein paar Pillen zusammen und versieht diese mit einer urheberrechtsverletzenden Prägung, oder es gibt gar keinen Chemiker namens Boris. Wenn in Winstons Bericht ein Detail nicht stimmt, warum soll dann nicht gleich alles falsch sein? Womöglich kauft Vladimir die Pillen von Baka, oder dem Pusher über Baka. Und möglicherweise – dieser Gedanke zieht sich fest wie ein Knoten – wird es diesen Superschurken nicht sonderlich freuen, dass jemand seinem Laufburschen an die Gurgel gegangen ist.
    Vergleicht man die fünf Bezirke, dann wird das Drogengeschäft am effizientesten in Queens geführt. Zwischen Jamaica und Astoria gehen Crack, Koks und Heroin durch die Hände einer lediglich kleinen Anzahl straff organisierter Kartelle. Man führt Buch, trägt Kürzel in Register ein. Es gibt eine Hierarchie, in der leicht ersetzbare Bullenspäher den Jungdealern an den Ecken unterstellt sind, die wiederum den Schuldeneintreibern, Schatzmeistern und Springern, diese den lokalen Gangbossen und die wiederum einem Dutzend Oberbossen. Mit dem Drogengeld eröffnen die Gangster an der Spitze der Pyramide Reisebüros, Antikläden und sonstige Geschäfte, bei denen die Bücher leicht zu frisieren sind, rauchen kubanische Zigarren und fahren ihren Hiphop-Star-Film, bis es dann nach drei, vier oder vielleicht erst fünf Jahren Anklagen hagelt, und sie in den Knast wandern. Dann steigen die Fünfundzwanzigjährigen aus der Ebene darunter auf und werden die neuen Oberbosse. Und dann in drei, vier oder vielleicht erst fünf Jahren …
    Alfredo hat daran kein Interesse. Er bleibt beim Gras, erwirbt immer nur kleine Mengen von Baka und vermarktet es kreativ. Verkauft es beispielsweise nicht in Mini-ZipLock-Tütchen, sondern in transparenten Plastikfläschchen, die auch in Krankenhäusern benutzt werden. Der Gummipfropfen auf dem Röhrchen erweckt den Eindruck, das Gras sei in einen luftdichten Behälter gepresst worden. Außerdem vergrößert die leichte Wölbung optisch die Produktmenge im Innern und erlaubt es Alfredo, ein wenig abzuschöpfen. Nicht zuletzt suggeriert die glasartige Glätte des Fläschchens den Konsumenten, dass diese Röhrchen erst kurz zuvor bedauernswerten kolumbianischen Drogenkurieren aus dem Anus gezogen worden sind. Frische ist daher garantiert. Würde er das Ecstasy behalten, statt es morgen seinem Bruder zu geben, würde Alfredo es als Doppelpaket vermarkten, jeweils zwei Pillen zusammen verkaufen – eine für das Vergnügen des Käufers, eine für das ihre – und eine rabattierte Viagra dazupacken, um dem Schlappschwanzeffekt des E entgegenzuwirken.
    Nicht, dass Alfredo nichts anderes als Marketing im Kopf hätte. Er sieht auch zu, dass er außerhalb der Kartellpyramide noch etwas verdient. Kauft Anteilscheine im Internet. Organisiert Hundekämpfe in Max’ Keller. Sein Bruder war immer

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