Die Prinzessin
verbreitet, daß sie nach ihrer Rückkehr aus Amerika an Grippe erkrankt wäre und sich in einer Privatklinik in Österreich erholen würde. Niemand wußte, wann Aria zurückkehren würde, und es ging die Rede, sie sei gestorben.
der Oberhofmeister wollte mit der Führung beginnen, aber sie räusperte sich vernehmlich. Schuldbewußt blieb er drei Schritte hinter ihr. Der Oberhofmarschall flüsterte pausenlos irgendwelche Erklärungen, doch sie achtete nicht darauf. Auf der Treppe standen in genau festgelegten Abständen die Männer der königlichen Garde. Acht Stunden mußten sie bewegungslos verharren. Aria hatte früher keinen Gedanken an diese Männer verschwendet, doch jetzt wußte sie, was es hieß, zu warten. Sie nahm sich vor, etwas für die die Wachen zu tun.
Das Flüstern des Oberhofmeisters wurde eindringlicher, als sich Aria ihren Gemächern näherte. Mit gestrafften Schultern durchschritt sie die Tür zu ihren Zimmern. Das Murmeln des Obermarschalls wurde leiser und erstarb schließlich ganz, als die Wachen die Tür schlossen.
Vier Hofdamen und zwei Zofen versanken in einen tiefen Knicks. Es waren alles ältere Frauen. Arias Mutter hatte sie ausgewählt.
»Herzlich willkommen, Königliche Hoheit«, riefen sie im Chor.
Sie nickte ihnen zu, antwortete aber nicht auf die Begrüßung. Sie wußte herzlich wenig über diese Frauen, weil ihre Mutter sie gelehrt hatte, nicht vertraulich mit Dienstboten zu reden.
»Lassen Sie mich allein«, befahl Aria.
Die Frauen blickten sich fragend an, bis Lady Werta vortrat und sagte: »Wünschen Hoheit ein Bad zu nehmen?«
Aria bedachte sie mit einem Blick, der die Frau zwang, wieder zurückzutreten. »Haben Sie mich nicht verstanden?«
Die Frauen verließen den Raum, und Aria entfuhr ein erleichterter Seufzer. Sie hob den Schleier und sah sich um. Dies war ihr Zimmer. Sie hatte es — gegen den Wunsch ihrer Mutter — ganz in gelb ausstatten lassen. Die Tapeten und Vorhänge waren aus Seidenmoire gefertigt. Elf kostbare Tische waren im Raum verteilt. Eine Sitzgruppe, bestehend aus drei zierlichen Stühlen und einer kleinen Couch, stand in einer Ecke. Auf dem Boden lag ein riesiger Aubussonteppich, der in Blau, Weiß und Gold gehalten war. An den Wänden hingen Frauenporträts, die Aria aus dem ganzen Palast zusammengetragen hatte. Hier stand auch ihr Schreibtisch, eine elegante Kreation aus Goldbronze und Mahagoni. Jedes Utensil auf der Platte — Brieföffner, Füllfederhalter, Briefordner — war ein kleines Kunstwerk, und sie hatte die Schönheit der Dinge immer selbstverständlich hingenommen.
Hinter dem gelben Salon lag ihr Schlafzimmer, das ganz in blassestem Seegrün gehalten war. Die Wandbilder waren vor über hundert Jahren für eine andere Königin gemalt worden. Sie stellten Szenen aus einem Märchenwald mit Einhörnern und Waldgeistern dar. Das Bett war für Königin Maria-Augusta gefertigt worden. Man sagte, daß sechs Männer zwei Jahre lang gearbeitet hatten, um die herrlichen Schnitzereien an den Pfosten herzustellen.
An einer Wand des Schlafzimmers war eine Reihe von halbversteckten Türen zu sehen. Sie führten zu ihren Schränken, von denen jeder so groß war wie ihr Schlafzimmer in Key West.
Der erste Schrank enthielt die Kleidung für den Tag: Hunderte teilweise handbestickte Seidenblusen, lange Reihen maßgeschneiderter Röcke und eine schier endlose Kette von Seidenkleidern.
Sie nahm eines von der Stange und sah mit großen Mißfallen auf die steife Verstärkung der Taille. »Keine lockerfallenden Sachen.« Sie seufzte, aber das Gefühl der Seide unter ihren Fingern versöhnte sie schon wieder.
Im zweiten Schrank hingen die Ballkleider und die pompösen Gewänder für die offiziellen Ereignisse, jedes steckte in einem eigens zu diesem Zweck genähten Baumwollsack mit einem transparenten Voileoberteil, so daß man die Machart der Kleider sehen konnte.
Der dritte Schrank enthielt all die unentbehrlichen Accessoires, wie Hüte, Handschuhe, Taschen, Schuhe, Stiefel, Schals. Eine ganze Wand dieses Schrankes war der Unterwäsche Vorbehalten: Slips, lange Unterhosen, Nachthemden und die schweren elastischen Korsetts. Aria zog eine Grimasse und ging weiter.
Im vierten Schrank schließlich fanden sich die Wintersachen — die Pelze und ihre dicken Kleider. Hinter einem Spiegel war ihr Safe für die Juwelen. Aria konnte nicht widerstehen. Sie klappte den Spiegel auf und stellte die Zahlenkombination ein. Eine lange Reihe samtbezogener Schubladen
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