Die Prinzessin
schon ein klein wenig Respekt vor ihm gehabt. Doch jetzt war ihr bewußt geworden, daß die Heirat mit ihm durchaus keine gewöhnliche Verbindung war. Aus diplomatischen und politischen Erwägungungen heraus war sie beschlossen worden.
»Du wolltest mit mir sprechen?« fragte Julian höflich, aber seine Stimme drückte Mißbilligung aus.
Sie wünschte, ihr würde jetzt etwas Schlagfertiges oder Intelligentes einfallen. Statt dessen bemerkte sie nur mit einer kleinmädchenhaften Stimme: »Du bist böse auf mich.«
Die winzige Andeutung eines Lächeln kräuselte seine Lippen. Er sah wirklich gut aus — ganz gleich, wie J. T. darüber dachte!
»Ich denke nur an deinen Ruf. Es wäre nicht gut, wenn man uns ohne Anstandsdame zusammen sähe.«
Aria drehte sich weg. In der Hochzeitsnacht würde er herausfinden, daß sie keine Jungfrau mehr war! Sie sah ihn an und holte tief Luft. »Dafür, daß wir Verlobt sind, haben wir sehr wenig Zeit miteinander verbracht — allein oder mit anderen. Wir sollten uns besser kennenlernen, miteinander reden — schließlich werden wir unser Leben gemeinsam verbringen.«
Er musterte sie, ehe er antwortete: »Worüber möchtest du denn reden? Die kommenden Wahlen? Ich bin sicher, daß der gegenwärtige Oberhofmeister im Amt bleiben wird.«
»Nein«, stammelte sie, »ich meine, ja, natürlich möchte ich mit dir über den Kronrat und die Minister reden, aber ich dachte vielleicht...« Sie verstummte.
»Möchtest du etwas von deiner Reise nach Amerika erzählen?«
Er stand sehr aufrecht da. Jeder Orden, jedes Haar waren an seinem Platz. Aria dachte daran, wie Jarl manchmal heimgekommen war — in naßgeschwitzter Uniform, die er sich vom Leib riß, gleich nachdem er hereingekommen war und nach einem Bier verlangt hatte.
»Trinkst du eigentlich Bier?« sprudelte es aus ihr heraus.
Julian schien zuerst verblüfft zu sein, aber dann unterdrückte er ein Lächeln. »Ja, ich trinke Bier.«
»Das wußte ich nicht. Ich kenne dich überhaupt nicht richtig, und manchmal frage ich mich, ob... ob wir überhaupt zusammenpassen. Ich meine, wir sollen ja schließlich miteinander leben, und die Ehe ist — ich meine, ich habe gehört, daß die Ehe etwas sehr Intimes ist, und .. « Sie brach ab und fühlte sich ziemlich kindisch, weil Julian immer noch steif und unnahbar neben ihr stand.
»Ich verstehe«, sagte er.
Aria mißfiel sein blasierter Tonfall, auch ihre eigenen Gefühle verunsicherten sie. »Es tut mir leid, daß ich dich mit etwas so Trivialem belästigt habe«, sagte sie würdevoll und wandte sich ab.
»Aria«, rief er mit einer Stimme, die sie innehalten ließ. Er trat vor sie hin. »Deine Fragen sind durchaus berechtigt. Ehe ich vor den König trat und meinen Heiratsantrag machte, habe ich lange über alles nachgedacht. Die Ehe ist eine ernste Angelegenheit, aber ich habe allen Grund, anzunehmen, daß wir sehr gut zusammenpassen. Wir wurden ähnlich erzogen. Ich zum König, du zur Königin. Wir kennen dieselben Menschen, finden uns im Hofprotokoll zurecht. Ich glaube, wir werden eine wunderbare Ehe führen.«
Aria ließ die Schultern hängen. »Ich verstehe. Ja, ich denke auch, daß wir ein bemerkenswertes Königspaar abgeben werden.« Sie sah auf ihre Hände.
»Gibt es sonst noch etwas?«
Er stand dicht vor ihr, versuchte aber nicht, sie zu berühren.
Sie wollte es nicht sagen, doch es brach einfach aus ihr heraus. »Aber was ist mit uns? Was ist mit der Frau Aria? Bringst du mir persönlich überhaupt irgendwelche Gefühle entgegen, oder siehst du stets die Königin in mir?«
Julians Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er streckte die Hand aus, legte sie um ihren Hinterkopf und zog sie an sich. Dann küßte er sie mit einem Verlangen, das seine aufgestaute Leidenschaft zeigte. Als er sich wieder zurückzog, waren Arias Augen immer noch geschlossen und ihr Mund geöffnet.
»Ich warte mit größter Ungeduld auf unsere Hochzeitsnacht«, flüsterte er.
Aria öffnete die Augen und versuchte die Fassung wiederzugewinnen. »Das wollte ich wissen«, sagte sie leise.
Julian lächelte sie voller Wärme an. »Du bist eine wunderschöne, begehrenswerte junge Frau. Wie konntest du nur daran zweifeln, daß ich mich danach sehne, dich zu besitzen?«
»Ich ... ich glaube, darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Ist etwas geschehen?« fragte er sanft. »Heute beim Abendessen warst du so anders. Es schien so, als ob du dir über irgend etwas Sorgen machtest.«
Sie staunte über
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