Die Prinzessin
dem,« was zwischen uns vorgefallen ist! Sonst würde er das nicht von mir verlangen!«
»Er hat genug Ahnung, um zu wissen, daß dein Leben in Gefahr ist. Glaubst du, es ist gut für dich, wenn du mit mir allein im Zimmer bleibst? Es hat dich doch bestimmt jemand hereingehen sehen?« ,
Aria blinzelte ein paarmal verwirrt. Sie wußte, daß» niemand sie gesehen hatte, und der Anblick von Jarl und dem Himmelbett war sehr verführerisch. Sie stand kurz davor, Julian und eine standesgemäße» Heirat zu vergessen ... »Ich muß gehen!« Sie lief in Richtung Tür.
»Nein, nimm den anderen Weg«, sagte er und hielt sie fest. Er ging zu seiner Tasche und zog ein paar vergilbte Papiere heraus. »Dein Großvater hat mir die Karten von den unterirdischen Geheimgängen im Palast mitgegeben.«
»Er hat was getan?«
»Er hat mir erklärt, daß jeder Monarch die Karten bei der Testamentseröffnung erhält — aber er dachte wohl, daß jetzt die Zeit für extreme Maßnahmen gekommen ist. Hier sind wir.« Er deutete mit dem Finger auf einen markierten Punkt in der Karte. »Ich wußte, daß er einen bestimmten Grund hatte, mir gerade dieses Prunkgemach zu geben. Er schien es für etwas ganz Besonderes zu halten. Und bei Gott, das ist es!« Während er sprach, hatten seine Hände unermüdlich die Eichentäfelung abgetastet. »Hier ist es.« Er drückte auf einen Knopf, aber nichts bewegte sich. »Ich glaube, diese Tür sollte mal geölt werden.« J. T. nahm einen Brieföffner vom Schreibtisch und stemmte die Tür langsam auf. Ein dumpfer Modergeruch erfüllte den Raum, und sie konnten das Flattern von Fledermäusen hören.
»Wenn du denkst, daß ich da runtergehe, dann irrst du dich aber gewaltig«, meinte Aria.
J. T. zog eine Taschenlampe aus dem Koffer. »Wenn du in diesem Aufzug aus meinem Zimmer kommst, werden die Klatschmäuler in der nächsten Zeit einiges zu tun haben. Dein Graf wird dich nicht mehr heiraten können, weil dein Ruf ruiniert ist, und mich werden sie wahrscheinlich aufhängen, weil ich es gewagt habe, unter das königliche Nachthemd zu schauen. Also?«
Es war furchtbar. Der Geheimgang war anscheinend seit Jahrhunderten nicht mehr betreten worden. Überall hingen dicke Spinnweben, und der Kot der Fledermäuse machte die Stufen so glitschig, daß Aria einige Male fast ausgeglitten wäre.
»Warum wußte ich nichts von diesem Gang?« flüsterte sie.
»Einer der Könige hat offensichtlich jeden umgebracht, der davon wußte. Nur der jeweilige Herrscher kennt das Geheimnis.«
Aria riß eine Spinnwebe herunter. Ihre Pantoffeln würden nie wieder sauber werden, so staubig waren sie. »Der Übeltäter war bestimmt König Hager der Gehaßte. Er lebte im vierzehnten Jahrhundert und brachte mit Leidenschaft andere Menschen um.«
»Du hast ja eine saubere Verwandtschaft! Wer hat das Schloß eigentlich gebaut?«
»Rowan«, erwiderte Aria. Etwas in ihrer Stimme ließ J. T. aufhorchen. »Ich glaube, der war ganz in Ordnung, oder?«
»Er war der beste König, den wir je gehabt haben! Wohin führt dieser Gang eigentlich?«
»Genau hierhin.« entgegnete J. T. lakonisch und blieb vor einer massiven, verrosteten Eisentür stehen. »Ich hoffe nur, daß wir dieses Monstrum auch aufkriegen.« Er reichte ihr die Taschenlampe.
»Da ist noch ein Gang. Können wir nicht den nehmen?« fragte sie und wies auf einen Tunnel, der nach links abbog.
»Der führt an den Verliesen vorbei in die Stadt. Dein Großvater meinte, der Ausgang sei blockiert, weil ein Haus darüber errichtet wurde. Da! Die Tür ist offen! Mach die Lampe aus!«
»Und wie geht das?«
J. T. nahm ihr die Taschenlampe aus der Hand und knipste sie aus.
»Wenn die Karte deines Großvaters stimmt, dann befinden wir uns hier am nördlichen Ende des Königsgartens. Kennst du dich hier gut genug aus, um zu deinem Zimmer zurückzufinden?«
»Natürlich!« Sie wandte sich zum Gehen.
»Warte noch, Prinzessin. Du hast mir noch nicht erzählt, wo du dich morgen früh aufhältst. Ich möchte dich nicht aus den Augen verlieren!«
Aria dachte gar nicht daran, ihm von ihrer Verabredung mit Graf Julian zu erzählen. »In meinem Terminkalender steht, daß ich um neun Uhr reiten gehe«, erklärte sie wahrheitsgemäß.
»Ich werde dich in deinem Zimmer abholen.«
»Aber ich darf dich doch nicht kennen! Erst müssen wir einander offiziell vorgestellt werden!«
»Du kannst ja sagen, daß dein Großvater dich angerufen hat — das heißt, wenn es in dieser halbverfallenen
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