Die Prinzessin
seine Sensibilität. Daß er das bemerkt hatte! Sie lächelte versonnen. Einst hatte sie dieser Verlobung zugestimmt, ohne sich besondere Gedanken über die Ehe zu machen. Sie war viel an seiner makellosen Abstammung und seiner Ausbildung interessiert gewesen als an seinen männlichen Eigenschaften! Aber jetzt wußte sie, was zwischen Mann und Frau in der Ehe geschah!
»In Amerika«, begann sie zögernd, »habe ich Liebespaare gesehen, die sich an den Händen hielten und sich auf Parkbänken küßten.« -
»Ich habe mir schon immer gedacht, daß in Amerika einiges anders ist«, meinte Julian mißbilligend. »Amerika ist ein wunderschönes Land!« rief Aria. »Alles strebt dort vorwärts. Nichts bleibt gleich, alles ändert sich. Die Menschen dort werden nicht von dem Gedanken an eine verstaubte Tradition niedergedrückt. Sie akzeptieren das Neue.«
»Küssende Liebespaare in einem Park sind nichts Neues«, sagte Julian und lächelte amüsiert. »Ich vergesse immer, wie jung du noch bist. Du hast nie gewirkt, als würdest du verlangen, daß man dir den Hof macht. Du hast meinen Heiratsantrag akzeptiert, ohne mehr als einen Händedruck und einen Ring zu , erwarten. Oder liege ich da falsch?«
»Nein, aber in Amerika ist etwas passiert.. «
»Du fragtest dich beim Anblick der Liebespaare sicher, wie es sein würde, wenn du geliebt würdest, ja?«
»Ja. Irgendwie schon «, murmelte sie und sah ihn dann geradeheraus an. »Julian, ich möchte, daß unsere Ehe funktioniert. Ich möchte nicht unglücklich werden. Ich will mehr als eine reine Vernunftehe aus politischen Gründen! Ich bin eine Frau und will um meiner selber willen geliebt werden — nicht wegen meiner Krone!«
Julian wirkte belustigt. »Nichts fällt mir leichter. Soll ich dir den Hof machen?« Er nahm ihre Hand und strich mit den Lippen sanft über die Handfläche. »Soll ich dir jeden Tag einen Strauß selbstgepflückter Feldblumen bringen? Oder Liebeslieder unter deinem Fenster singen? Oder die heiße Liebesschwüre in dein hübsches Ohr hauchen?«
»Das reicht für den Anfang!« meinte Aria und beobachtete, wie er ihre Hand küßte.
»Wir treffen uns morgen früh bei Morgengrauen und reiten zusammen aus!«
Bei Morgengrauen? Aber ich soll um neun Uhr reiten!«
»Sag es ab«, kommandierte er. »Ich werde dich also erwarten. Aber jetzt muß ich dich zum Hof des weißen Pferdes zurückbringen. Dort können wir unbemerkt in den Palast gelangen.«
Er drehte sich um und wollte sie vorangehen lassen, doch dann lächelte er und hakte sie unter.
Als sie im Hof angekommen waren, sah sie ihn an. »Würdest du mich noch einmal küssen, Julian?« Er blickte kurz auf die Fenster des Palastes und schien zu zögern. »Bitte, Julian. Ich muß wissen, ob unsere Ehe gut wird. Ich muß vergessen ...«
Er legte zwei Finger auf ihre Lippen. »Wir alle wollen manches vergessen. Ich werde dich jetzt küssen, bis du dein Verlangen kaum noch ertragen kannst, mein Liebling.« Langsam zog er sie in seine Arme und küßte sie so, daß sie sich fühlte wie Rita Hayworth und Betty Grable zusammengenommen.
Er löste sich von ihr. »Geh jetzt«, befahl er lächelnd. »Ich sehe dich morgen früh.«
Sie wandte sich zum Gehen, als er noch nach ihrer Hand griff. »Wenn die Küsse dich all deine Ängste vergessen lassen, wirst du morgen mittag an Amnesie leiden.« Er gab Aria frei, und sie lief in den Palast.
Lady Werta wartete bereits auf sie. »Was hat er gesagt? Hat er Verdacht geschöpft? Er stand nämlich Prinzessin Aria so nahe, daß er bemerkt haben könnte, daß Sie eine Doppelgängerin sind.«
Diese Frau begann Aria zu langweilen. »Gehen Sie jetzt zu Bett. Ich brauche Sie heute abend nicht mehr.«
»Aber ich —«
»Gehen Sie!« zischte Aria.
»Jawohl, Königliche Hoheit«, sagte Lady Werta und entfernte sich.
In ihrem Zimmer ließ Aria sich schweigend von den Zofen das Nachthemd anziehen. Dann zogen sich die Frauen zurück und wünschten eine gute Nacht.
Während sie sich behaglich zum Schlafen zurechtlegte, fühlte sie sich zum ersten Mal seit Tagen wieder wohl. Vielleicht war ihr Leben doch nicht so schlimm, wenn sie nicht mehr mit Jarl Montgomery zusammen war. Vielleicht konnte sie ihn vergessen. Graf Julian war der Mann, den Lankonien brauchte, und er würde ein perfekter Ehemann sein. Sie mußte sich eben nur in ihn verlieben, und wenn sie an seine Küsse dachte, dann konnte das nicht allzu schwer sein.
Doch als sie einschlief, schlichen sich ungebetene
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