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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Band riss entzwei, die Hände waren frei.
    Es krachte im Gebälk, dass sie unwillkürlich den Kopf einzog, aber die Tür hielt dem tobenden Feuersturm noch immer stand. Hustend und keuchend befreite sie sich vom übrigen Klebeband und begann, an den Brettern vor dem Fensterloch zu rütteln. Eines war so morsch, dass sie es eindrücken konnte. Das gab ihr Raum, um andere herauszureißen. Mit übermenschlicher Kraft stemmte sie sich gegen die Wand und zerrte an den Brettern, bis die Öffnung groß genug war, um durchzuschlüpfen. Die Beine waren noch nicht draußen, als die Tür mit ohrenbetäubendem Knall barst. Glühende Balkensplitter trafen ihren linken Fuß, bevor sie sich mit einem Aufschrei hinter der Hütte zu Boden fallen ließ. Nun war auch die zweite Schulter taub vor Schmerz und der verletzte Fuß kaum noch zu gebrauchen, aber die Flammen hatten sie nicht erwischt. Sie atmete die heiße, rauchgeschwängerte Luft in vollen Zügen ein, als wäre es reiner, belebender Sauerstoff. Im Schutz der nur langsam brennenden Latrine humpelte sie zum nahen Fels, hinter dem sie das Inferno wie durch ein Wunder in einer kleinen Grotte überlebte. Das Letzte, woran sie dachte, bevor sie erschöpft die Augen schloss, war das Rätsel ihres magnetischen Handgelenks. Als ihr die verblüffende Lösung einfiel, schlief sie mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ein.
    »Haben Sie die Entführer erkannt?« Die Frage des Kommissars schreckte sie aus ihrem Tagtraum.
    »Nein, wie gesagt, sie trugen stets Masken.«
    »Die Stimmen haben Sie auch nie zuvor gehört?« Sie schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. Der Kommissar musterte sie nachdenklich, beinahe feindselig. »Ich verstehe immer noch nicht, was die Leute von Ihnen wollten«, brummte er schließlich.
    »Ich auch nicht. Ich habe keine Ahnung, von welchem Dokument sie sprachen«, log sie. Charlie kam ihr zu Hilfe, flunkerte etwas von einer Verwechslung, doch der Beamte beachtete ihn nicht, ließ ihn weiter spüren, dass er Alleingänge von Zivilisten ganz und gar nicht schätzte. Lauren hatte sich zuvor mit ihm abgesprochen, und sie war nun auch überzeugt, dass dieser Vidal dahinter steckte. Jedenfalls deckte sich Charlies Beschreibung seiner Stimme mit dem, was sie gehört hatte. Sollte sich die Polizei gründlich mit ihm beschäftigen, dagegen hatte sie nichts einzuwenden, aber sie wollte auf keinen Fall über den Inhalt der Dokumente und die Materialprobe reden.
    »Vielleicht hat es mit dem Anruf zu tun«, sagte sie zögernd.
    »Welcher Anruf?«
    »Ein Mr. Vidal wollte mich unbedingt sprechen, als ich nicht erreichbar war, hat sich dann aber nicht mehr gemeldet.«
    »Wann war das?«
    »Vorgestern. Vidal scheint ein ziemlich skrupelloser Financier zu sein, darum habe ich den Anruf erwähnt. Dr. Conway hier weiß mehr über ihn.« Widerwillig wandte sich der Kommissar an Charlie und schaute ihn fragend an.
    »Ja, das ist eine ziemlich lange Geschichte. Wenn Sie wollen, sende ich Ihnen die Unterlagen, die ich über ihn habe. Darin sind auch Fotos enthalten. Wenn Vidal selbst in der Hütte gewesen ist, müsste ihn einer der Feuerwehrleute wiedererkennen.«
    Ein schrecklicher Gedanke schoss Lauren plötzlich durch den Kopf. Sie wollte sofort mit Charlie darüber reden. Sie hatten den Köder ausgeworfen, sie konnten gehen, doch der Kommissar machte keine Anstalten, die Prozedur abzukürzen. Als ihr der Kragen platzte, krümmte sie sich kurzerhand stöhnend zusammen und begann, ihren verletzten Knöchel zu reiben. Die Wirkung des Theaters verblüffte selbst sie, so schnell saßen sie wieder in Charlies Wagen.
    »Ich fahre dich zum Arzt.«
    »Quatsch, das war nur Show. Mir geht es gut, aber ich habe ein großes Problem.«
    »Show?«, wiederholte er misstrauisch. »Bist du sicher? Soll ich ...«
    »Klar bin ich sicher. Ich wollte nur so schnell wie möglich raus da.«
    »Du bist eine ausgezeichnete Schauspielerin, Dr. Lauren. Ich sollte besser vorsichtig sein«, murmelte er.
    »Guter Vorsatz, aber ich habe wirklich ein dringendes Problem.« Sie erzählte ihm von der Probe, die ihr Onkel für sie hütete. »Ich muss ihn warnen. Mein Gott, wenn diese Leute dahinter kommen ...«
    »Frag mich nicht wie, aber Vidal wird das mit Sicherheit herausfinden. Ich traue dem Kerl schlicht alles zu. Ich sage es nicht gern, aber dein Onkel schwebt in höchster Gefahr.« Sie warf ihm einen verzweifelten Blick zu, während sie aufgeregt nach ihrem Handy tastete.
    »Mist, mein Telefon ist noch

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