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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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für nötig gehalten zu haben, das Papier sicherzustellen. Oder sie hatten geschlampt.
    »Marina versteht ihren Job«, sagte Charlie anerkennend. »Aber so kommen wir nicht weiter.« Man hatte sie hier ins Auto gezerrt, und wenn er die Reifenspuren richtig deutete, waren sie Richtung Dorf weitergefahren. Eduardo schien den gleichen Gedanken zu haben, als er vorschlug, der Strasse entlang alle paar hundert Meter anzuhalten, um die Hündin suchen zu lassen. Der erste Versuch scheiterte, Marina blieb unschlüssig stehen. Das zweite Mal hielten sie an einer Stelle, von der ein steiniger Weg zum Wald hinauf führte.
    »Da hinauf!«, rief Eduardo außer sich vor Freude und völlig unnötigerweise. Seine Marina hetzte das Sträßchen hinauf, als sei ihr eine Meute Bluthunde auf den Fersen. Elektrisiert folgten ihr die beiden Männer. Die Hündin bellte, blieb stehen, packte etwas mit den Zähnen am Boden. Freudig winselnd empfing sie die atemlosen Männer. Zwischen ihren Zähnen steckte ein Schuh. Laurens Schuh! Charlie hatte die Sandalette noch nicht an ihr gesehen, aber es gab keinen Grund, Marinas Nase zu misstrauen. Endlich eine brauchbare Spur. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Erkenntnis in sein Bewusstsein sank. Dann gab es kein Halten mehr. Jetzt hatte Charlie Conway Witterung aufgenommen. Der zweite Schuh lag unweit hinter einem Grasbüschel. Blitzschnell überlegte er, was hier wohl geschehen war, spielte in Gedanken alle plausiblen Varianten durch und kam stets zum gleichen Schluss. Marina hatte die Witterung verloren, Lauren war nicht mehr hier. Der Wagen musste mit ihr weiter hinauf gefahren sein. In den Wald, über dem schwarzer Rauch aufstieg. Jetzt, da er endgültig um ihr Leben fürchten musste und jede Sekunde zählte, verfiel er nicht in Panik, sondern wurde augenblicklich ruhig. Es war, als hätte ein Computer die Kontrolle übernommen, ihn in eine hochpräzise Maschine verwandelt, die in Sekundenbruchteilen logische Entscheidungen fällte und nur das Ziel hatte, Lauren zu retten.
    »Wartet hier auf mich!«, rief er, während er Hals über Kopf die Böschung hinunter rannte. Er holte seinen Wagen, lud die beiden ein und raste dem Wald entgegen.
    Verflucht! , schimpfte er im Stillen. Die Feuerwehr hatte eine Art Straßensperre errichtet, bei der er anhalten musste.
    »Senhor, Sie dürfen hier nicht weiter, es ist zu gefährlich. Bitte fahren Sie zurück.« Kaltblütig schätzte er die Lage ein. Sie waren zu zweit, und das Wichtigste: der Weg war frei. Der Feuerwehrmann musterte ihn unsicher. »Sie müssen den Wald weiträumig umfahren«, sagte er schließlich.
    »Ich muss da hinein«, antwortete Charlie, als hätte er ihn nicht verstanden.
    »Da gibt es nur eine Hütte, aber dort ist niemand mehr.«
    »Eine Hütte«, murmelte er fast unhörbar, trat heftig aufs Gaspedal und raste weiter. Beim flüchtigen Blick in den Rückspiegel umspielte ein grimmiges Lächeln seinen Mund. Zu Salzsäulen erstarrt standen die Feuerwehrleute am Wegrand und gafften ihnen nach. In der Aufregung schienen ihnen selbst die Schimpfwörter abhanden gekommen zu sein.
    Eduardo kannte die alte Jagdhütte. Dieser Weg führte nahe daran vorbei. Das Gefälle wurde sanfter, sie hatten die Anhöhe erreicht. Unwillkürlich trat Charlie heftig auf die Bremse. Ein Weg war hier nicht mehr zu sehen, denn vor ihnen öffnete sich eine kilometerbreite Schneise toten Bodens, grauschwarz, als hätte es fingerdick Asche geschneit. Eine trostlose Wüste ohne Farbe, die rauchenden Stummel verkohlter Bäume wie tausend verbrannte Hände, verloren im hoffnungslosen Kampf gegen die übermächtige Feuerwalze. Hier war der Krieg vorbei. Die Flammen wüteten nun weiter im Norden.
    »Da – da vorne links muss sie sein«, stammelte Eduardo mit aufgerissenen Augen. Sein Verstand schien nicht wahr haben zu wollen, was er sah. Da vorne war nichts, nichts als Asche. Hie und da glimmten noch die Überreste des einst üppigen Blattwerks und verbreiteten einen beißenden Geruch. »Eukalyptus«, murmelte er kopfschüttelnd.
    »Wie bitte?« Charlie glaubte, falsch verstanden zu haben. Er hatte nur mit halbem Ohr zugehört.
    »Die Bauern haben Eukalyptus gepflanzt, nachdem vor einigen Jahren viele Korkeichen abgebrannt sind. Für die Papierfabrik. Bringt gutes Geld, wächst schnell.«
    »Und brennt ausgezeichnet«, ergänzte Charlie. Eine andere Art Umweltsünde, dachte er, aber das war nicht sein Problem. Angestrengt suchte er die Umgebung ab, konzentrierte

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