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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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bei der Polizei!«, schimpfte sie. Er gab ihr seins, und sie hatte den alten Ed nach etlichen vergeblichen Versuchen am Apparat. Wie sehr sie es auch versuchte, es gelang ihr nicht, ihn vom Ernst der Lage zu überzeugen. »Der verfluchte, sture Bock!«, rief sie wütend aus, als sie das Handy zurückgab. »Schwafelt die ganze Zeit von sicherem Versteck, anstatt abzuhauen. Warum war ich nur so blöd!«
    »Wir müssen nach Wales, sofort«, sagte Charlie ruhig und startete den Wagen.
Blaenavon, Wales
    Eds Nerven lagen blank. Drei gute Hemden hatten ihm die verfluchten Brombeerbüsche schon zerrissen, das letzte gestern Nacht. Er wusste genau, dass es das elende Gestrüpp war, obwohl er sich sonst nur noch an seinen kleinen Unfall in der Toilette der Goldmine erinnerte. Drei waren genug, beschloss er, als er aufwachte. Wütend stöberte er im Gerümpel der alten Garage nach der größten Baumschere, die er finden konnte, zog den Schlapphut tief ins Gesicht und machte sich im strömenden Regen an die Arbeit. Das Gemüse, das noch nicht einmal den Anstand hatte, den Weg freizuhalten, musste endlich weg. Wenigstens fror er nicht an die Finger. Im Gegenteil, der Schweiß lief ihm bald in Strömen übers Gesicht im warmen Regen des sommerlichen Morgengewitters, das in der Nacht über die Brecons hereingezogen war. Mit grimmigem Eifer schnippelte seine rostige Schere an den wehrlosen Sträuchern, bis nur noch ein paar traurige Stümpfe übrigblieben. Er atmete erst auf, als der Weg zum Haus und der Blick auf die Strasse wieder frei waren. Zufrieden und nass bis auf die Knochen warf er die Schere auf die Bank vor dem Haus und öffnete die Tür. Jetzt erst würde der Tag richtig beginnen. Das schien auch die Natur so zu sehen, denn es hatte aufgehört zu regnen, nur noch fernes Donnergrollen war zu hören.
    »So früh schon an der Arbeit?«, rief jemand in seinem Rücken. Er erinnerte sich an die Stimme, aber es dauerte eine Weile, bis er unter der unförmigen Pelerine die elegante, schlanke Lady wieder erkannte. Was verschlug Laurens Freundin an diesem lausigen Tag ins Niemandsland von Blaenavon? Sie beantwortete die Frage, bevor er sie stellte: »Ich hatte in Cardiff zu tun. Ich soll Sie von Lauren grüßen.« Sein Gesicht hellte sich auf, wie immer, wenn er den Namen seines Sonnenscheins hörte.
    »Kommen Sie herein, ich wollte gerade Kaffee aufsetzen.«
    »Machen Sie sich nur keine Umstände«, wehrte sie ab, doch sie schlüpfte flink hinter ihm ins Haus.
    »Und, wie geht es meiner Lauren?«, rief er aus der Küche, während er das Pulver in die Kanne löffelte.
    »Gut, sehr gut. Sie lässt sich nochmals entschuldigen, dass sie nicht an die Beerdigung kommen konnte. Sie scheint sich allerdings einige Sorgen zu machen.«
    »Sorgen?« Blitzschnell stand er wieder im Wohnzimmer und musterte sie ängstlich. »Worüber macht sie sich Sorgen?«
    »Nun, ich weiß nicht recht.« Es schien ihr unangenehm, darüber zu reden. »Sie hat Angst, jemand könnte ihr kleines Geheimnis entdecken.«
    »Kleines Geheimnis – ach, Sie meinen das Paket, die sie mir gegeben hat?« Die Frau nickte nachdenklich.
    »Ja, ich glaube, das hat sie gemeint.« Er lachte erleichtert.
    »Da braucht sie sich gar keine Sorgen zu machen. Ich weiß, sie hat mich angerufen ...«
    »Angerufen?«, unterbrach sie ihn in scharfem Ton, dass er sie verblüfft anstarrte, doch sie entschuldigte sich sogleich: »Tut mir leid, davon hat sie mir nichts gesagt.«
    »Ja, sie wollte mich warnen. Glaubt, irgendwelche Ganoven seien hinter ihrem Schatz her. Aber wie gesagt, er ist so sicher versteckt, dass nur ein alter Kumpel wie ich es finden kann. Sollen sie kommen, die Gangster.«
    »Nett, dass Sie uns so freundlich hereinbitten, alter Mann«, sagte eine dunkle Stimme von der Tür her. Zwei Männer standen plötzlich im Zimmer, ohne dass Ed jemanden kommen gehört hatte. Einer sah aus wie ein smarter, sportlicher Geschäftsmann, der andere glich dem bulligen Officer Adams, den er so hasste, weil er ihn schon mehr als einmal früh am Morgen aus der Goldmine geschmissen hatte, und er hielt eine Pistole mit langem Lauf auf ihn gerichtet. »Dann erzählen Sie uns doch mal, wo wir das Paket finden«, sagte der Smarte freundlich lächelnd. Fassungslos blickte Ed in die drohende Mündung. Er schaute er sich hilfesuchend nach der Lady um, aber die stand nur da, als ginge sie alles nichts an, dann verließ sie das Haus. Der Schock fuhr ihm geradewegs in die Knie, als die

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