Die Probe (German Edition)
wo es sich mit organischen Stoffen zu wirklich gefährlichen Giften wie Methylquecksilber verbindet, die in die Nahrungskette gelangen. Auf dem Weg von der Alge über den Fisch zum Menschen erhöht sich dabei die Quecksilberkonzentration um mehr als das Zehnfache.
War diese Mine eine gigantische Dreckschleuder, wesentlich mitverantwortlich für die geschätzten 170 Tonnen Quecksilber, die jedes Jahr ins Flusssystem des Amazonas gepumpt werden, das immerhin rund zwanzig Prozent des Süßwasservorrats der Erde enthält? War die Fahrlässigkeit dieses Senhor de Souza und seiner Leute mitverantwortlich für die alarmierend hohen Quecksilberkonzentrationen in den Körpern der Bewohner des Amazonasdeltas? Wie viele kranke Kinder, die täglich gegen Lähmungen, Psychosen und andere Minamata-Symptome kämpften, hatten ihr trauriges Schicksal dieser sauberen Gesellschaft zu verdanken? Wahrscheinlich hatte Ryan genau diese Zusammenhänge aufgedeckt. Vielleicht hatte er de Souza am gleichen Tisch gegenüber gesessen und ihm wütend die Wahrheit ins Gesicht geschleudert. Klar, dass er damit in ein gefährliches Wespennest gestochen hatte, denn es ging um sehr viel Geld. Charlie glaubte, de Souza nun genügend verunsichert zu haben, um mehr über den Verbleib seines Freundes zu erfahren. Freundlich lächelnd sagte er:
»Wie auch immer. Jedenfalls werden Sie die neuen Anlagen möglichst rasch in Betrieb nehmen wollen. Sie nehmen so den Kritikern, und vor allem den militanten Umweltschützern den Wind aus den Segeln.«
»Absolut, ganz genau! Wir sind dauernd unter Druck, müssen uns rechtfertigen, als wären wir Verbrecher. Dabei sind wir ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor in dieser Gegend.« Er blühte auf bei diesen Worten, froh, auf soviel Verständnis zu stoßen.
»Gibt es denn Grund, Sie unter Druck zu setzen?«
»Wo denken Sie hin, Senhor. Wir halten uns strikte an die Gesetze. Das kann ich guten Gewissens allen Besuchern versichern.«
»Davon gehe ich aus. Trotzdem möchte ich mich gerne einmal mit den Leuten von SOS Earth unterhalten, die sie vor kurzem aufgesucht haben.« De Souza schaute ihn entgeistert an, und er hakte sofort nach: »Sie sind nicht wieder in Manaus aufgetaucht. Wir haben den Kontakt zu ihnen verloren. Sie wissen nicht zufällig, was sie vorhatten, wo wir sie finden können?«
»Nein – ich – habe keine Ahnung, was aus den Herren geworden ist.« So überrumpelt war er, dass er gar nicht erst versuchte, den Besuch zu leugnen.
»Erinnern Sie sich an die Namen?« Er schüttelte den Kopf.
»Leider nicht, die beiden haben keine Visitenkarte hinterlassen. Sie benahmen sich, gelinde gesagt, ziemlich unangemessen. Ich war froh, sie rasch wieder los zu sein.«
»Haben sie Sie bedroht?« De Souza zuckte verächtlich die Achseln.
»Wir lassen uns nicht so leicht einschüchtern, Senhor. Alles linkes Geschwätz, Sie wissen schon.« Charlie biss sich auf die Zunge und schwieg. De Souza schaute auf seine Uhr. Er schien allmählich ungeduldig zu werden. Charlie wartete. Pausen waren ein gutes Mittel, Leute zum Sprechen zu bringen. Schließlich brach der Manager das Schweigen: »Ich glaube, mich zu erinnern, dass diese Männer flussabwärts weiterzogen. Einige meiner Leute wollen gesehen haben, wie sie am Fuß des Hügels ein Schlauchboot bestiegen haben. Wissen Sie was? Geben Sie mir doch einfach die Telefonnummer, unter der ich sie erreichen kann, falls ich mehr über die beiden höre.« Geht doch , dachte Charlie erfreut und gab ihm die Nummer seines Hotels in Manaus. Der erste brauchbare Hinweis auf Ryans Verbleib.
»Gibt es irgendwelche Siedlungen in der Nähe?«
»Erst weiter unten gibt es eine kleine Indianersiedlung am linken Ufer.« Zum ersten Mal regte sich sein Fahrer wieder. Er nickte ihm zu.
»Sie kennen den Ort, Miguel?«
»Sim, Senhor.«
»Excelente. Ich denke, das hilft uns weiter«, sagte Charlie und erhob sich. »Vielen Dank, Senhor de Souza.« Er hatte es plötzlich eilig, wollte dieses Dorf unbedingt noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Die Verwaltung der Mine würde wohl noch früh genug wieder von ihm hören. Als sie im Wagen saßen, zögerte Miguel loszufahren und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Es dürfte schwierig werden, das Dorf zu erreichen, Senhor. Die Strasse führt oben am Hügel entlang, unten ist alles überschwemmt in der Regenzeit.«
»Trotzdem, wir müssen es versuchen. Notfalls haben wir immer noch unser Dingi.« Miguel warf ihm einen
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