Die Probe (German Edition)
UNEP schätzte er diese Praxis zwar keineswegs, aber solange die Männer ihr Handwerk beherrschten, war nichts dagegen einzuwenden. Die kleinen Aufregungen im täglichen Betrieb waren nicht der Grund seiner Anwesenheit auf Troll F. Die Organisation hatte ihn hierher geschickt, um die Auswirkungen der seismischen Aktivität vor Ort zu überprüfen, die man seit dem letzten überraschenden Methanaustritt gemessen hatte.
Eine halbe Stunde später herrschte wieder Normalzustand im Kontrollraum und an den Pumpen. Die Ablösung war inzwischen eingetroffen, und Thorsen folgte dem Ingenieur in den Aufenthaltsraum.
»Noch nicht müde?«, fragte er ihn, als sie sich bei einer heißen Tasse Kaffee gegenübersaßen.
»Zuerst muss ich das System runterfahren«, schmunzelte der Ingenieur. »Kaffee zum Aufwärmen und ein gutes Gespräch unter Kollegen, das beruhigt die Nerven. Für Dusche und Matratze bleibt noch genügend Zeit.« Er schüttete eine Unmenge Zucker in die schwarze Brühe und rührte eine Weile. Dann blickte er Thorsen nachdenklich an und fragte mit besorgtem Unterton: »Du hast nichts gefunden, nicht wahr?« Thorsen nickte wortlos. Die Sache war ihm selbst nicht geheuer, aber an den Ergebnissen der Messungen und den Erkundungen des Meeresgrunds mit seinem ultramodernen Tauchroboter gab es nichts zu rütteln.
»Es sind jedenfalls keine Ausbrüche oder Verwerfungen in der Umgebung der Bohrung festzustellen. Etwas ungewöhnlich ist das Gelände an sich, aber das war zu erwarten.«
»Was meinst du damit?«
»Das Schelf fällt hier recht steil ab, teilweise bis zu 36 Grad. Da besteht natürlich die Gefahr von Abbrüchen. Aber wie gesagt: nichts zu sehen.«
Mit einem Knall flog die Tür auf und eine Gruppe lachender und johlender Männer drängte herein. Sie schnappten sich ihre Softdrinks und setzten sich zu ihnen an den langen Tisch.
»Na, Olav, diesmal scheint es ja schnell gegangen zu sein«, bemerkte der Ingenieur zu einem beängstigend langen Burschen mit strohblonden Strähnen, der zudem der größte Spaßvogel zu sein schien. Es war ein Ritual, das sich seit einer Woche täglich abspielte. Ein Greenpeace-Schiff versuchte ihren Versorgungsschiffen den Zugang zur Plattform zu verwehren. Die Aktivisten protestierten damit gegen die Förderung in diesen Tiefen. Greenpeace behauptete, die Firmen hätten kein brauchbares Konzept gegen Unfälle bei derartigen Bohrungen und zur Eindämmung der Umweltschäden im Katastrophenfall. Die Firma sah das selbstverständlich ganz anders. Die Männer ihrerseits machten sich nach anfänglichem Ärger einen Spaß daraus, die ›Laus im Pelz‹, wie sie die Störenfriede nannten, mit vollem Einsatz der Wasserwerfer möglichst elegant zu vertreiben.
»Dreizehn Minuten, was sagt man dazu?«, grinste Olav. »Die Läuse müssen sich langsam überlegen, woanders zu protestieren. Eigentlich schade.« Seine Kumpel quittierten die Bemerkung mit lautem Gelächter. Thorsen war nicht ganz wohl in seiner Haut. Ein Stück weit musste er den Leuten von Greenpeace recht geben. Das Offshoregeschäft barg natürlich Risiken. Unfälle konnte man nie ausschließen, aber wie bei jedem Unternehmen ging es letztlich darum, die Risiken zu kontrollieren und Gefahr und Ertrag vernünftig gegeneinander abzuwägen. Deshalb war er nun zum zweiten Mal hier.
Der Ingenieur hatte sein System heruntergefahren. Er erhob sich und wollte sich in seine Unterkunft zurückziehen, als der Alarm losging. Das durchdringende Sirenengeheul ließ keinen ruhig sitzen. Alles war auf den Beinen, das Gelächter verstummt. Die Leute warteten auf Erklärungen aus den Lautsprechern. Der Ingenieur setzte den Helm wieder auf und rannte hinaus. Thorsen heftete sich dicht an seine Fersen. Es war kein Feueralarm, also musste wohl eine ernsthafte Betriebsstörung vorliegen. Der diensthabende Mud Ingenieur rannte ihnen entgegen. Als er seinen Kollegen erkannte, rief er:
»Der Fluss stockt, Druck steigt, vermutlich Naphthen!«
»Verfestigte Naphthensäure verstopft die Steigleitung«, erklärte der Ingenieur Thorsen, der nicht sofort verstand, worum es ging. »Das Rohöl hier enthält relativ hohe Anteile dieser Kohlenwasserstoffe, die an der kühlen Luft zu einer Art Paraffin erstarren.«
»Kill mud!«, wies der Ingenieur die Männer an der Pumpe an. Mit dem schweren Gemisch mussten sie sofort den Druck vermindern, um eine Explosion zu verhindern. Danach konnten sie versuchen, die Steigleitung von der Naphthensäure zu befreien.
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