Die Probe (German Edition)
Kopf.
»Keine Polizei«, murmelte er. »Wo befinden sich die Büros dieses Finanzgenies?« Widerstandslos gab sie ihm die Adresse am Zürichberg. »Meine Leute werden sich darum kümmern. Wenn Sie mich jetzt kurz entschuldigen wollen?« Gehorsam zog sie sich außer Hörweite zurück. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er mit grimmigem Gesichtsausdruck zu telefonieren begann.
Zürich
Die Buchhalterin schien weniger überzeugt von seinem Geschwätz über eine längere Geschäftsreise als der naive Walter. Jedenfalls warf sie ihm einen fast ängstlichen Blick zu, bevor sie das Haus verließ, als ahnte sie, ihn niemals wiederzusehen. Er schloss hinter ihr ab. Es war sein letzter Abend in der Villa am Zürichberg. Er wollte noch einmal ungestört durch die Gänge und Zimmer streifen, sich mit Anstand verabschieden von der Galerie, vom Handelsraum mit seinen vielfältigen, spannenden, bösen und pikanten Geschichten, von den Gemälden und Statuen, die er mit Leidenschaft gesammelt hatte, und an denen er so oft achtlos vorbeigejagt war. Ein letztes Mal schaltete er Computer und Bildschirme aus. Er löschte das Licht im oberen Stockwerk und schritt die Treppe hinunter, langsam, zögernd, als hielte ihn eine unsichtbare Kraft zurück.
Plötzlich fuhr er zusammen. Es hatte geklingelt. Durch das geschliffene Glas der Haustür sah er die Silhouetten zweier Männer. Im ersten Schreck wunderte er sich gar nicht darüber, wie die späten Besucher überhaupt durch die vergitterte Zufahrt bis zum Haus gelangen konnten. Verdutzt öffnete er die Tür einen Spalt breit und knurrte unfreundlich:
»Was gibt’s?«
»Herr Hogan, Michael Hogan?«, fragte der Ältere der beiden unbeirrt, ein breitschultriger, athletischer Typ. Michael nickte, worauf ihm der Besucher einen Ausweis unter die Nase hielt und in scharfem Ton sagte: »Hauptkommissar Moser von der Kriminalpolizei Zürich. Das ist mein Kollege Neumann. Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss. Treten Sie bitte zur Seite.« Ohne auf seine Antwort zu warten, drückte er die Tür auf und die beiden traten ins Haus. Moser zeigte ihm ein Papier, das wohl die richterliche Anordnung darstellte, doch er war zu verwirrt, um den Wisch wirklich zu lesen. »Wir beginnen mit der Buchhaltung«, sagte der Beamte und wartete ungeduldig, bis er sich in Bewegung setzte.
»Ich rufe meinen Anwalt an«, murmelte er, als die beiden Eindringlinge begannen, systematisch einen Ordner nach dem anderen zu überprüfen. Moser setzte ein mitleidiges Lächeln auf und antwortete spöttisch:
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können.« Michael wählte hastig die private Handynummer des Anwalts. Nach langem Läuten hatte er ihn endlich am Apparat. Er war auf einem Empfang, konnte frühestens in zwei Stunden in Zürich sein.
»Kein Grund, sich aufzuregen. Lassen Sie mich mit diesem Moser sprechen«, versuchte ihn der Anwalt zu beruhigen, aber der Hauptkommissar hatte keine Lust dazu.
»Soll herkommen«, knurrte er schroff. Auch die Aufforderung des Anwalts, die Suche einzustellen, bis er einträfe, ließ die Beamten kalt. Allmählich schlug Michaels Überraschung in Ärger um.
»Was suchen Sie eigentlich, worum geht’s überhaupt?«, schnauzte er die beiden an und stellte sich demonstrativ vor den verschlossenen Aktenschrank. Ungerührt streckte Moser die Hand aus und brummte:
»Schlüssel!« Michaels Gesicht lief rot an.
»Nicht, bevor Sie mir klipp und klar sagen, was das alles soll, verdammt noch mal!«, schleuderte er ihm wütend entgegen. Der Beamte grinste nur böse und winkte mit der ausgestreckten Hand.
»Sie sollten ihm den Schlüssel geben«, bemerkte Mosers Kollege freundlich, aber bestimmt. »Er wird sonst ziemlich ungemütlich. Wir suchen übrigens alle Unterlagen zu Mr. Vidals Investition.« Michael erbleichte. Woher kannten die Beamten seinen Kunden, zumal Vidals Geld nur unter dem Namen der Bank geflossen war? Er versuchte, eine möglichst unbeteiligte Miene aufzusetzen, als er antwortete:
»Vidal? Ich kenne keinen Vidal. Was soll das?« Mosers Begleiter spielte weiter den guten Cop:
»Wir wissen, dass Sie in größten Schwierigkeiten stecken und verduften wollen. Mr. Vidal will nur sein Geld sicherstellen, das verstehen Sie doch?« Diesmal konnte er seinen Schreck nicht verbergen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Das waren keine Beamten! Das mussten Vidals Schergen sein. Charlies Warnung vor Vidals Verbindung zur Unterwelt hämmerte in seinem Schädel. Er schluckte
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