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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Die beiden Ingenieure berieten sich, wie sie die Ölleitung am wirksamsten reinigen könnten. Ohne massiven Einsatz von Chemikalien war wohl nichts zu machen.
    Der schwere Schlick führte allmählich zu einer Druckreduktion, und die Männer atmeten auf. Zu früh, denn sie konnten nicht ahnen, was sich in diesen Sekunden 1000 Meter unter ihnen am Meeresgrund anbahnte. Der Meißel an der Spitze des Bohrgestänges hatte einen ausgedehnten, flachen Gaseinschluss angebohrt, der unter enormem Überdruck stand. Strahlenförmige Risse bildeten sich rund um das Bohrloch, und Sekundenbruchteile später schleuderte die gewaltige Wucht des befreiten Gas- und Ölgemischs das Gestänge aus der Bohrung. Im weiten Umkreis barst die Schelfdecke. Die Druckwelle presste scharfkantige Gesteinsbrocken gegen die Stahltaue, welche die Plattform am Meeresgrund verankerten. Fünf der acht Kabel hielten der plötzlichen Belastung nicht stand und rissen. Gleichzeitig wirbelten gigantische Blasen an die Oberfläche. Mit zunehmender Höhe verringerte sich der Wasserdruck, das flüssige Erdgas verdampfte, die Blasen dehnten sich explosionsartig aus. Das aufsteigende Gemisch aus Methan, Öl und Wasser veränderte schlagartig die Dichte des Meerwassers um die Plattform. Der zweihundert Meter lange, hohle Betonzylinder, auf dem die Bohrinsel schwamm, verlor seine Stabilität, wankte und neigte sich ruckartig beinahe dreißig Grad auf die Seite der größten Methankonzentration. Männer schlitterten über Bord, versanken in der stürmischen See, bevor sie den Mund zu einem Schrei öffnen konnten. Wie eine Flipperkugel prallte Thorsen an Wände, Ecken und Kanten, bis er bewusstlos an einem Geländer hängen blieb, die Brust zerschmettert vom messerscharfen Profileisen.
    Er spürte nicht mehr, wie er von kräftigen Händen gepackt und durch den Bombenhagel herumfliegender Trümmer, das Chaos berstender Röhren, splitternden Glases, stöhnender Verletzter zu den Rettungsbooten im untersten Deck geschleift wurde. Vielleicht zwei Dutzend Männer, kaum einer ohne ein gebrochenes Glied, eine blutende Hand oder ein arg zerkratztes Gesicht, klammerten sich an die gefährlich schwankende Rampe, von der sie die Rettungsboote in den verhassten Übungen schon hundertmal zu Wasser gelassen hatten. Nur fehlten diesmal die Boote. Einige der rettenden Gefährte hatten sich losgerissen und trieben teils kieloben in der Gischt. Die anderen hatten bereits überfüllt mit glücklicheren Kameraden abgelegt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als auszuharren, zu hoffen, dass sich die Boote von Nachbarplattformen oder andere Schiffe an die gefährliche Unfallstelle wagten. Und ein jeder betete wohl insgeheim, dass keiner das Wort aussprechen würde, das sie jetzt alle am meisten fürchteten: Feuer!
    »Die Läuse!«, schrie einer, quittiert vom lauten Jubel der Wartenden. Das Greenpeace-Schiff näherte sich rasch, trotz der hohen Wellen. In einer tollkühnen Aktion gelang es der Besatzung, an der Nottreppe anzudocken und die letzten Überlebenden der Bohrinsel in Sicherheit zu bringen. Das Schiff war noch keine hundert Meter von der Plattform entfernt, als sich die aufsteigenden Gase entzündeten und die ganze Konstruktion in einen gigantischen Feuerball hüllten. Stumm sahen die Männer zu, wie die Flammen gnadenlos verzehrten, was vor kurzem nichts weniger als ihre Heimat gewesen war. Die Wasserkanonen blieben untätig, es war niemand mehr da, sie zu bedienen.
München
    »Post für Sie, Dr. Conway«, rief der Portier, als Charlie an der Rezeption vorbei zu seinem Stammplatz im Frühstücksraum schlenderte. Der gepolsterte Umschlag enthielt buchstäblich dicke Post. Ein ausführlicher Brief der Staatsanwaltschaft von Adelaide war darunter, ebenso wie Kopien von Protokollen und Fotos von Beweismaterial. Alles in allem eine unappetitliche Sammlung von Belegen zu Vidals kriminellen Machenschaften und seiner Verbindung zur Splittergruppe der Yamaguchi-gumi, die der ehrenwerte Oyabun Nakamura-san in Osaka mit eiserner Hand führte. Unter dem Druck der Ereignisse in Roxby Downs hatte die Minenleitung nicht länger schweigen können und schließlich mit den Ermittlern kooperiert. Endlich hatte er die Beweise schwarz auf weiß und von offizieller Stelle beglaubigt vor sich auf dem Tisch. Eine späte Genugtuung für Daisy, aber wichtiger noch war für ihn, dass er damit Lauren und Michael reinen Wein einschenken konnte. Sie mussten jede direkte oder indirekte Verbindung zu Vidal

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