Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
aus ihrem langen Haar einen koketten Kopfschmuck gebildet haben, wie sie ihn bis zu ihrem Hochzeitstage tragen müssen.
    Das Orchester ist höchst einfach. Es besteht aus einer scharf klingenden, Fanghu-Fanghu genannten Flöte und einem Dutzend Nasas, das sind Trommeln, die mit derben Schlägen – sogar im Takt, wie Pinchinat bemerkt – bearbeitet werden.
    Offenbar blickt der »allzeit fertige« Athanase Dorémus mit vollster Verachtung auf die Tänze, wovon sich keiner in die Kategorie der Quadrillen, Mazurkas, Polkas oder der Walzer einreihen läßt. Er geniert sich nicht einmal, darüber die Achseln zu zucken, im Gegensatz zu Yvernes, der an diesen Tänzen wenigstens die Originalität zu schätzen weiß.
    Die ersten davon sind nur Tänze im Sitzen und bestehen ausschließlich aus Körperbewegungen und Pantomimen, die von einem getragnen, traurigen Rhythmus begleitet werden.
    Hierauf folgen wirkliche Tänze, an denen sich Männlein und Weiblein mit allem Feuer ihres Temperaments betheiligen und die einmal aus graziösen Pas bestehen und dann wieder den Kampfesmuth des Eingebornen, der auf dem Kriegspfade wandelt, darstellen.
    Das Quartett betrachtet dieses Schauspiel und fragt sich, wie die Leute sich wohl benehmen würden, wenn sie eine anregende europäische Ballmusik noch mehr belebte.
    Da macht Pinchinat den Vorschlag, ihre Instrumente aus dem Casino holen zu lassen und den Tänzern und Tänzerinnen die flottesten »sechs Achtel« und die beliebtesten »zwei Viertel« (Tact-Tänze) von Lecoq, Audran und Offenbach aufzuspielen. Die andern stimmen zu und Calistus Munbar ist überzeugt, daß das eine wunderbare Wirkung hervorbringen müsse.
    Eine halbe Stunde später sind die Instrumente zur Stelle und der »Ball« beginnt von neuem.
    Die Eingebornen sind ebenso erstaunt wie entzückt, das Violoncell und die drei Violinen zu hören, die eine ihnen ganz fremde Musik erzeugen.
    Gewiß sind sie nicht unempfindlich gegen dieselbe; auch ist zweifellos nachgewiesen, daß ihre charakteristischen Tänze nur Producte augenblicklicher Eingebung und nicht eingelernt und eingeübt sind… wie sehr das Athanase Dorémus auch bestreiten mochte. Tongier und Tongierinnen überbieten sich in Bewegungen und grotesken Sprüngen, während Sebastian Zorn, Yvernes, Frascolin und Pinchinat teuflische Melodien aus »Orpheus in der Unterwelt« zum Besten geben. Der Oberintendant selbst kann sich nicht mehr halten und tanzt ein Quadrillensolo vor allem Volke, während der Tanz-und Anstandslehrer sich vor solchem Greuel die Augen zuhält. Zur reinen Kakophonie wird die Tanzmusik freilich, als auch noch die scharfen Flöten und die Trommeln mit einfallen, das steigert aber den Feuereifer der Tänzer bis aufs höchste, und man weiß kaum, wie das enden sollte, als ein Zwischenfall dem infernalischen Treiben ein unerwartetes Ziel setzte.
    Ein Tongier, ein großer kräftiger Bursche, stürzt sich, entzückt über die Töne, die der Violoncellist seinem Instrumente entlockte, plötzlich auf dieses, reißt es an sich und entflieht damit unter dem Ausrufe:
    »Tabu… Tabu!«
    Das Violoncell steht unter dem Tabu! Niemand darf es, ohne eine Heiligthumsschändung zu begehen, mehr anrühren! Der Oberpriester, der König Georg, die Hofwürdenträger und das ganze Volk… alles würde sich empören, wenn Einer sich solcher Todsünde schuldig machte.
    Sebastian Zorn kehrt sich nicht daran. Er hängt an dem Meisterwerke von Gand und Bernardel. So macht er sich also auf, den Flüchtigen zu verfolgen, und seine Kameraden eilen ihm zu Hilfe. Die Eingebornen mischen sich ebenfalls ein… alles stürmt und tobt wild durcheinander.
    Der Tongier ist aber so schnellfüßig, daß man darauf verzichten muß, ihn einzuholen. Schon nach einigen Minuten ist er weit, weit weg.
    Athemlos kehren Sebastian Zorn und die andern zu Calistus Munbar zurück, der noch keuchend vom Tanzen dasitzt. Wenn man sagte, daß der Violoncellist von unbeschreiblicher Wuth überschäumte, so wäre das nicht genug. Er siedet, er erstickt! Ob tabuiert oder nicht, er will sein Instrument wieder haben! Und sollte Standard-Island gegen Tonga-Tabu eine Kriegserklärung loslassen – sind nicht Kriege schon aus unbedeutenderen Ursachen entstanden? – das Violoncell mußte seinem Eigenthümer wiedergegeben werden!
     

    Der Tongier reißt das Violoncell an sich und entflieht. (S. 278.)
     
    Zum Glück nehmen sich die Inselbehörden der Sache an. Nach einer Stunde wurde der Eingeborne ergriffen

Weitere Kostenlose Bücher