Die Propeller-Insel
Brüder – in die sich freilich einige Thränen und auch wohlverdiente Vorwürfe mischen.
»Aber, Unglücksel’ger, sagt der Violoncellist, was ist Dir nur eingefallen, Dich allein zu entfernen?
– Unglückselig, so viel es Dir beliebt, alter Freund, anwortet Pinchinat, doch stürme nicht auf einen Bratschisten ein, der, so wie ich, in dieser Minute so mangelhaft bekleidet ist. Gebt mir meine Sachen her, damit ich mich in geziemender Form sehen lassen kann!«
Halbnackt, an einen Baum gebunden, sehen Sie Pinchinat. (S. 328.)
Seine Kleidungsstücke finden sich am Fuße eines Baumes wieder, und er nimmt sie so ruhig in Empfang, als ob gar nichts geschehen wäre. Erst als er dann »repräsentabel« ist, drückt er dem Commodore Simcoë und dem Oberintendanten die Hände.
»Nun, beginnt Calistus Munbar, wie steht’s? Werden Sie nun an den Cannibalismus der Fidschi-Insulaner glauben gelernt haben?
– O, es ist nicht allzuschlimm mit den Kerlen, antwortet Seine Hoheit, ich habe ja noch alle Arme und Beine beisammen!
– Immer derselbe verteufelte Phantast! ruft Frascolin.
– Und wißt Ihr, was mich in meiner Lage als ein menschliches Stück Wild, das eben an die Keule geliefert werden sollte, am meisten genierte?
– Ich lasse mich aufknüpfen, wenn ich das weiß! erwidert Yvernes.
– Nun, nicht etwa das, daß ich von den Eingebornen mit Haut und Haar verzehrt werden, nein, daß mich ein ganz bekleideter Kerl auffressen sollte… so ein Bursche in blauem Rock mit goldnen Knöpfen… mit einem Regenschirm unterm Arme… ein richtiger britischer Affe!«
Zehntes Capitel.
Wechsel der Besitzer.
Die Abfahrt von Standard-Island war auf den 2. Februar festgesetzt. Am Tage vorher kehrten alle Touristen von ihren Ausflügen nach Milliard-City zurück. Die Affaire Pinchinat’s hatte ungeheures Aufsehen erregt. Das ganze Juwel des Stillen Oceans überbot sich in Theilnahmebezeugungen für Seine Hoheit, denn das Concert-Quartett hatte sich die Liebe und Achtung aller Bewohner erworben. Der Rath der Notabeln billigte vollkommen das energische Vorgehen Cyrus Bikerstaff’s. Die Journale brachten ihm ihre Glückwünsche dar. Pinchinat war der Held des Tages geworden. Man sieht gewiß nur selten einen Bratschisten, der seine Laufbahn hatte im Magen eines Fidschi-Insulaners beschließen sollen!… Jetzt gesteht er’s freilich zu, daß die Einwohner von Viti-Levu auf ihr Gelüste nach Menschenfleisch noch nicht vollständig verzichtet haben. Kann man ihnen glauben, so ist dessen Geschmack ein ganz vorzüglicher, und Pinchinat sah ihnen gewiß gar appetitlich aus.
Standard-Island fährt mit dem Morgenrothe ab und schlägt nun die Richtung nach den Neuen Hebriden ein, wobei es um zehn Grad, oder gegen zweihundert Lieues, weiter nach Westen vordringen muß. Das läßt sich aber nicht umgehen, da der Kapitän Sarol und dessen Leute auf den Neuen Hebriden ans Land gesetzt werden sollen. Man hat sich darüber keineswegs zu beklagen. Alle fühlen sich beglückt, den wackern Leuten, die sich bei der Bekämpfung der Raubthiere so hervorgethan haben, diesen Dienst erweisen zu können. Und auch sie selbst scheinen höchst befriedigt, nach langer Abwesenheit auf so bequeme Weise wieder nach ihrer Heimat zu gelangen. Daneben bietet sich hierdurch Gelegenheit zum Besuche einer Inselgruppe, die den Milliardesern noch nicht bekannt war.
Die Fahrt geht mit der vorhergeplanten Langsamkeit vor sich. In dem Meerestheile zwischen den Fidschis und den Neuen Hebriden, und zwar unter 170° fünfundreißig Minuten westlicher Länge und 19° dreizehn Minuten südlicher Breite, soll der für Rechnung der Familien Tankerdon und Coverley von Marseille expedierte Dampfer mit Standard-Island zusammentreffen.
Natürlich beschäftigt sich jetzt alle Welt mehr denn je mit der bevorstehenden Vermählung Walter Tankerdon’s und der Miß Dy. Wer hätte auch an andre Dinge denken sollen? Calistus Munbar hat keine Minute mehr für sich. Er brütet Tag und Nacht über die Vorbereitungen zu einem Feste, das in den Annalen der Propeller-Insel nicht seines Gleichen finden soll. Wenn er dabei zum Skelet abmagerte, würde sich kein Mensch darüber wundern.
Standard-Island bewegt sich nur mit einer mittleren Geschwindigkeit von zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometern binnen vierundzwanzig Stunden weiter. Immer gleitet es in Sicht von Viti hin, dessen prächtige Ufer mit üppigen, dunkelgrünen Wäldern geschmuckt sind. Drei volle Tage braucht man für die
Weitere Kostenlose Bücher