Die Propeller-Insel
Füßen dagegen zu stemmen, um diese Angelegenheit zu gutem Ende zu führen.
»Und sind unsre Liebenden nicht obendrein noch da? ruft er. Sie werden mir doch beistimmen, daß die Eigenliebe den Sieg über die gegenseitige Liebe nicht davontragen wird!«
Standard-Island gleitet nach Nordosten weiter, dem Punkte zu, wo sich der 12. Breitengrad mit dem 175. Grade westlicher Länge schneidet. Nach dieser Gegend sind durch die letzten Telegramme von dem Aufenthalt an den Neuen Hebriden die von der Madeleinebay auszusendenden Proviantschiffe bestellt worden. Die Frage der Lebensmittelbeschaffung macht dem Commodore Simcoë übrigens keine Sorge. Für mindestens einen Monat sind noch Vorräthe da, und nach dieser Seite braucht man sich also keiner Beunruhigung hinzugeben. Nachrichten aus der Fremde fehlen freilich schon lange. Die politische Chronik ist mager geworden, das »Starboard-Chronicle« klagt darüber, der »New-Herald« ist in heller Verzweiflung. Doch immerhin, Standard-Island bildet ja eine vollständige kleine Welt für sich, und was hat es damit zu thun, was sich irgend wo anders auf der Erde zuträgt. Fehlt ihm die Anregung durch die leidige Politik? Getrost, in nicht ferner Zeit wird es auch selbst solche – und vielleicht mehr als zu viel – treiben.
Die Wahlperiode wird eröffnet. Man bearbeitet die dreißig Mitglieder vom Rathe der Notabeln, in dem Backbord-und Steuerbordbewohner zu gleichen Theilen vertreten sind. Schon von Anfang zeigt es sich, daß die Wahl eines neuen Gouverneurs nicht ohne Streitigkeiten abgehen wird, denn Jem Tankerdon und Nat Coverley bewerben sich beide um diese Stellung.
Einige Tage verstrichen unter den unumgänglichen Vorbereitungen. Alles läßt aber erkennen, daß bei der Eigenliebe der zwei Candidaten eine Uebereinstimmung gar nicht oder doch nur sehr schwierig zu erzielen sein wird. In der Stadt wie in den Häfen herrscht eine dumpfe Gährung. Die Agenten der beiden Stadthälften suchen die allgemeine Erregung noch zu schüren, um einen Druck auf die Notabeln auszuüben. So vergeht die Zeit ohne Aussicht auf eine friedliche Lösung. Ist es jetzt nicht zu befürchten, daß Jem Tankerdon und die vornehmsten Backbordbewohner auf ihre von den Steuerbordbewohnern abgewiesnen Ideen zurückkommen, auf den unseligen Plan, Standard-Island zu einer industriellen und handeltreibenden Insel umzugestalten? Darauf wird die andre Stadthälfte nimmermehr eingehen. Kurz, bald scheint die Partei Coverley obenauf zu schwimmen, bald die Partei Tankerdon die Oberhand zu haben. Damit kommt es zu Nörgeleien, zu bittern Reden zwischen den beiden Feldlagern, die Beziehungen beider Familien kühlen sich mehr und mehr ab – eine Veränderung, die Walter Tankerdon und Miß Dy Coverley freilich nicht erkennen wollen. Was geht sie auch all dieses politische Gezänk an?…
Und doch giebt es ein recht einfaches Mittel, die Sache, wenigstens vom administrativen Standpunkt, zu ordnen; man braucht ja nur zu beschließen, daß die beiden Candidaten die Functionen des Gouverneurs abwechselnd versehen sollen – sechs Monate dieser, sechs Monate jener, vielleicht auch jeder ein Jahr lang, wenn das besser erscheint. Dann ist jede Rivalität ausgeschlossen, und beide Parteien sind befriedigt. Was aber vernünftig ist, hat leider wenig Aussicht, in dieser Welt Anklang zu finden, und trotz seiner Unabhängigkeit von irgend einem Lande machen sich doch auf Standard-Island alle Leidenschaften der Menschheit unter dem Monde geltend.
»Da haben wir es nun, sagt Frascolin eines Tages zu seinen Kameraden, da haben wir die Schwierigkeiten, die ich kommen sah…
– Und was scheeren uns diese Streitigkeiten, erwidert Pinchinat. Welchen Schaden könnten sie uns bringen? In einigen Monaten sind wir in der Madeleinebay angelangt, unser Engagement ist zu Ende und wir setzen den Fuß wieder auf festes Land… Jeder mit seiner kleinen Million in der Tasche…
– Wenn es nicht noch zu irgend einer Katastrophe kommt! wirst der unlenksame Sebastian Zorn ein. Kann eine solche schwimmende Maschine je eine sichre Zukunft haben? Nach dem Zusammenstoße mit dem englischen Schiffe der Einbruch der Raubthiere, nach den Raubthieren der Ueberfall der Neu-Hebridier… nach diesen wilden Kerlen die…
– Schweig still, Du Unglücksvogel! ruft Yvernes. Schweig, oder wir legen Dir noch ein Schloß vor den Schnabel!«
Daß die Hochzeit Tankerdon-Coverley nicht an dem dafür bestimmten Tage gefeiert werden konnte, bleibt immerhin
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