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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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würden die reichen Milliardeserinnen aber diesen Stoffen ihre Gunst schenken, wenn sie nicht aus Paris kämen, und ebensowenig diesen Toiletten, wenn sie nicht den Stempel des Schneiderkönigs der Hauptstadt trügen, jenes Mannes, der das Axiom aufgestellt hat: »Die Frau ist weiter nichts als eine Frage der Form!«
    Zuweilen bewegen sich auch der König und die Königin von Malecarlien durch die summende Menschenmenge. Das seiner Souveränität beraubte Paar flößt unsern Künstlern eine aufrichtige Theilnahme ein. Welche Gedanken bestürmen sie beim Anblick des Arm in Arm dahin wandelnden hohen Paares!.. Sie sind gegenüber vielen ihrer Mitbürger nur arm zu nennen, sie verleugnen aber einen gewissen Stolz, eine angeborne Würde niemals und ähneln etwa Philosophen, die sich über die Vorurtheile der Welt erhaben fühlen. Im Grunde fühlen sich die Amerikaner von Standard-Island doch geschmeichelt, einen König zum Mitbürger zu haben, und begegnen ihm mit aller seiner frühern Würde zukommenden Ehrerbietung. Auch das Quartett grüßt respectvoll Ihre Majestäten, wenn es diesen in den Avenuen der Stadt oder in den Alleen des Parkes begegnet. Der König und die Königin zeigen sich dankbar empfänglich für diese echt französische Ehrenbezeugung. Im Ganzen aber zählen Ihre Majestäten ebenso wenig, wie Cyrus Bikerstaff… vielleicht gar noch etwas weniger.
    Wahrlich, Reisende, die sich vor dem Meere fürchten, sollten diese Art der Fortbewegung auf einer schwimmenden Insel wählen. Da hätten sie keine Seekrankheit zu gewärtigen und würden von keinem Sturme belästigt. Mit seinen zehn Millionen Dampf-Pferdekräften an den Seiten kann so ein Standard-Island von keiner Windstille zurückgehalten werden und ist mächtig genug, auch gegen widrige Winde aufzukommen. Wenn Zusammenstöße sonst eine Gefahr bedingen, so ist eine solche hier ganz ausgeschlossen. Desto schlimmer möchten sich jene gestalten für Schiffe, die mit vollem Dampf oder unter allen Segeln an diese Eisenküsten stoßen. Derartige Unfälle sind aber kaum zu fürchten wegen der Leuchtfeuer in beiden Häfen, wie am Vorder-und Hintertheile und wegen des elektrischen Lichtes der Aluminiummonde, die die Atmosphäre in der Nacht erhellen. Von den Stürmen ist gar nicht zu reden; eine solche Insel ist in der Lage, ihnen Zügel anzulegen.
    Wenn ihr Spaziergang Pinchinat und Frascolin aber bis zum Vorder-oder Hintertheile der Insel, nach der Rammsporn-oder der Achterbatterie führt, erkennen sie beide, daß es hier an Vorgebirgen, Landspitzen, Buchten und an einem flachen Strande gänzlich fehlt. Die Küste besteht nur aus einem Aufbau von Stahlplatten, die durch Millionen von Nieten und Schrauben miteinander verbunden sind. Wie würde es ein Maler beklagen, keine alten, zerrissenen Felsen zu finden, an deren Fuße die steigende Fluth mit dem Tang und dem Varec spielt! Ja, die Schönheiten der Natur vermag man durch kein Wunderwerk der Industrie zu ersetzen. Trotz seiner Neigung zum Bewundern muß Yvernes das doch zugeben. Der Stempel des Weltenschöpfers ist es, an dem es dieser künstlichen Insel gebricht.
    Am Abend des 25. Juni überschritt Standard-Island den Wendekreis des Krebses an der Schwelle der Tropenzone im Stillen Ocean Zu derselben Stunde gab das Quartett im Saale des Casinos sein zweites Concert. Wir bemerken hierzu, daß nach dem ersten großen Erfolge der Eintrittspreis erhöht worden war.
    Trotzdem erwies sich der Saal noch zu klein. Die Musikfreunde stritten sich um die Plätze. Offenbar muß gerade die Kammermusik der Gesundheit sehr zuträglich sein, und gewiß erlaubt sich niemand, ihre therapeutische Wirkung anzuzweifeln. Diesmal gab es – gemäß dem Recepte – lauter »Lösungen« von Mozart, Beethoven und Haydn.
    Die Vortragenden ernteten einen stürmischen Applaus, und doch hätten ihnen Pariser Bravos gewiß mehr Genugthuung bereitet. Mangels derselben begnügen sich Yvernes, Pinchinat und Frascolin mit Milliardeser Hurrahs, für die Sebastian Zorn noch immer eine stolze Verachtung empfindet.
    »Was kann man denn mehr verlangen, sagt Yvernes zu ihm, wenn man den Wendekreis überschreitet?«
    Und als sie das Casino verlassen, wen bemerken sie da inmitten der armen Teufel, die keine dreihundert Dollars für einen Sitz im Saale anlegen konnten?… Den König und die Königin von Malecarlien, die bescheiden an der Hausthür stehen.

Neuntes Capitel.
Die Gruppe der Sandwich-Inseln.
    Diesen Theil des Stillen Oceans durchzieht

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