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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dessen Lage den Zugang nach dem einen oder dem andern erleichtert – die im Dienste der Insel stehenden Dampfer ein.
    Wenn der hartköpfige Sebastian Zorn sich weigert, alle diese Wunder anzuerkennen, wenn Frascolin seinen Gefühlen minder lauten Ausdruck verleiht, so lebt dafür der enthusiastische Yvernes in voller Wonne. Seiner Meinung nach wird das zwanzigste Jahrhundert nicht verstreichen, ohne daß die Meere von weitern schwimmenden Inseln belebt werden. Das wäre dann der Gipfelpunkt des Fortschritts und des Comforts der Zukunft. Welch’ herrliches Bild, dann diese bewegliche Insel ihre Schwestern in Oceanien besuchen zu sehen! Pinchinat fühlt sich in der goldstrotzenden Umgebung hier ganz berauscht, wenn er nur von Millionen wie zu Hause von ein paar ärmlichen Louis-d’or reden hört. Banknoten wandern unausgesetzt von Hand zu Hand. Gewöhnlich führt man zwei-oder dreitausend Dollars in der Tasche mit sich, und mehr als einmal spöttelt der Bratschist gegenüber Frascolin mit den Worten:
    »Was?… Du hast nicht einmal fünfzigtausend Francs bei Dir?«
    Mit der Zeit hatte das Concert-Quartett, das überall gute Aufnahme fand, auch einige Bekanntschaften angeknüpft. Wer hätte sich auf die Empfehlung Calistus Munbar’s hin auch geweigert, den Künstlern in freundlichster Weise entgegenzukommen?
    In erster Linie haben sie ihrem Landsmanne Athanase Dorémus, dem Tanz-und Anstandslehrer, einen Besuch abgestattet.
    Dieser brave Mann haust in der Steuerbordstadt in einer bescheidnen, nur dreitausend Dollars Miethe kostenden Wohnung der Fünfundzwanzigsten Avenue. Als Aufwärterin hat er, für hundert Dollars monatlich, eine alte Negerin. Er ist entzückt, mit Franzosen, und zwar mit solchen, die Frankreich Ehre machen, in nähere Verbindung zu treten.
    Ein Greis von reichlich siebzig Jahren, ist er etwas hager und eher klein, hat aber noch lebhafte Augen und volle Zähne, sowie üppiges Haar, das, wie der Bart, ganz weiß ist. Er geht ziemlich geziert, mit einer gewissen rhythmischen Cadenz, hält den Oberkörper ein wenig nach vorn, die Arme gerundet und die tadellos beschuhten Füße stets etwas auswärts. Unsre Künstler hören ihn gern plaudern, und er thut das nicht minder gern, denn seine Grazie wird nur von seiner Schwatzhaftigkeit erreicht.
    »Wie glücklich bin ich, meine lieben Landsleute, wie glücklich bin ich – das wiederholt er bei dem ersten Besuche zwanzigmal – wie glücklich bin ich, Sie zu sehen! Welch herrlicher Gedanke von Ihnen, sich auf unsrer Insel niederzulassen! Sie werden das nicht bereuen, denn jetzt, nachdem ich mich hier eingewöhnt habe, begreife ich gar nicht mehr, wie es möglich ist, in andrer Weise zu leben!
    – Und wie lange sind Sie schon hier, Herr Dorémus? fragt Yvernes.
    – Seit achtzehn Monaten, antwortet der Tanzlehrer, der die Füße in die zweite Position bringt. Ich war mit bei der Gründung Standard-Islands. In Folge ausgezeichneter Empfehlungen, die mir von New Orleans aus zu Gebote standen, nahm Herr Cyrus Bikerstaff, unser verehrter Gouverneur, meine Dienste ohne Zögern an. Von jenem gesegneten Tage ab hat das Honorar, das mir für die Leitung einer höheren Tanzakademie bewilligt wurde, mir erlaubt, hier…
    – Als Millionär zu leben! vollendet Pinchinat den Satz.
    – O, was hierzulande nur ein Millionär ist…
    – Ja, ja… weiß schon… lieber Landsmann! Doch nach dem, was wir vom Oberintendanten gehört haben, scheint Ihre Akademie nicht sehr besucht zu werden.
    – Ich habe freilich nur Zöglinge aus der Stadt, meist recht junge Leute. Die jungen Amerikaner glauben, schon mit der ihnen nothwendigen Portion Grazie geboren zu sein. Viele junge Leute ziehen es auch vor, im Geheimen Unterricht zu nehmen, und so bringe ich ihnen denn privatim die schönen französischen Umgangsformen bei!«
    Er lächelt bei seinen Worten, ziert sich wie eine alte Kokette und übertrifft sich selbst in graziösen Stellungen.
    Athanase Dorémus, ein Picarde von Santerre, hat Frankreich in früher Jugend verlassen, um sich in den Vereinigten Staaten, in New-Orleans anzusiedeln. Hier, unter der ursprünglich französischen Bevölkerung Luisianas hat es ihm nicht an Gelegenheit gefehlt, seine Talente zu verwerthen. In die vornehmsten Familien eingeführt erzielte er recht schöne Erfolge und konnte sogar einiges Vermögen ansammeln, das ihm freilich eines schönen Tages durch einen amerikanischen Krach geraubt wurde. Das war zur Zeit, als die Standard-Island Company

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