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Die Propeller-Insel

Die Propeller-Insel

Titel: Die Propeller-Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Civilisation und triumphierten über das Heidenthum der alten Kanaken. Dabei verschwindet die Ursprache des Landes mehr und mehr vor der angelsächsischen Zunge, und der Archipel beherbergt Amerikaner, Chinesen – die meisten im Dienste von Grundeigenthümern, so daß schon eine Rasse von Halb-Chinesen, die der Hava-Pake, entstanden ist – und Portugiesen in Folge des Seeverkehrs zwischen den Sandwich-Inseln und Europa.
    Eingeborne giebt es jedoch auch noch, wenigstens genug für unsre Künstler, obgleich sie durch die aus China herübergebrachte Lepra (den Aussatz) stark decimiert sind. Den Typus von Menschenfleischliebhabern repräsentieren sie allerdings nicht mehr.
    »O Du Localfärbung, ruft die erste Geige, welche Hand hat Dich von der modernen Palette abgeschabt!«
    Freilich, Zeit, Civilisation und der Fortschritt, der ja ein Gesetz der Natur ist, haben diese Färbung fast ganz verwischt. Das zeigte sich zu jedermanns Leidwesen deutlich, als eines der elektrischen Boote von Standard-Island an der langen Klippenreihe vorüberglitt und Sebastian Zorn nebst seinen Kameraden ans Land brachte.
    Zwischen zwei spitzwinklig zulaufenden Pfahldämmen liegt hier ein kleiner Hafen, der durch ein Amphitheater von Bergen gegen gefährliche Winde gestützt ist. Seit 1794 haben sich die Klippen, die die Meereswogen vor ihm brechen, um einen Meter gehoben, doch hat er genug Wasser, um Schiffen von achtzehn bis zwanzig Fuß Tiefgang das Anlegen an den Quais zu gestatten.
    »Enttäuschung!… Enttäuschung! murmelt Pinchinat. Es ist wirklich beklagenswerth, daß man auf der Reise um so viele Illusionen ärmer wird!
    – Und man also besser thut, hübsch zu Hause zu bleiben! meint der Violoncellist, die Achseln zuckend.
    – Nein! ruft der immer enthusiastische Yvernes, welches Bild kann sich mit dem unsrer stählernen Insel vergleichen, wenn sie, wie jetzt, den oceanischen Archipelen einen Besuch abstattet?«
    Wenn sich aber der sittliche Charakter der Sandwichianer zum Kummer unsrer Künstler so bedauerlich verändert hat, so ist das wenigstens mit dem Klima nicht der Fall. Es gehört noch immer zu den heilsamsten in dieser Gegend des Großen Oceans, obwohl die Inselgruppe in einem Meerestheile liegt, der als das »Meer der Wärme« bezeichnet wird. Steigt der Thermometer bei Nordwind auch ziemlich hoch und entfesselt der Südwind zuweilen die heftigen, hier »Kouas« genannten Stürme, so übersteigt die Mitteltemperatur Honolutus doch kaum einundzwanzig Centigrad. Darüber darf man sich an der Grenze der Tropenzone gewiß nicht beklagen. Die Einwohner thun das auch nicht, und wie gesagt, suchen viele kranke Amerikaner den Archipel zu ihrer Wiedergenesung auf.
    Je mehr das Quartett indeß in die Geheimnisse dieses Archipels eindringt, desto mehr schwinden auch seine Illusionen. Die guten Leute behaupten, mystisiciert worden zu sein, wo sie sich doch nur selbst anklagen sollten, sich dieser Mystification ausgesetzt zu haben.
    »Das ist wieder der Calistus Munbar, der uns in die Tinte geritten hat!« behauptet Pinchinat in Erinnerung an die Aussage des Oberintendanten, wonach die Sandwich-Inseln die letzte Zufluchtsstätte wild lebender Eingeborner im Großen Ocean seien.
    »Was wollen Sie denn, liebe Freunde? antwortet er mit den Augen zwinkernd auf ihre bittern Vorwürfe. Das alles hat sich seit meinem letzten Hiersein so sehr verändert, daß ich gar nichts wiedererkenne!
    – Possenreißer!« erwidert Pinchinat und klopft ihn scherzend auf den wohlgepflegten Leib.
    Immerhin darf man es als bestimmt annehmen, daß sich alle hier wahrnehmbaren Veränderungen mit verblüffender Schnelligkeit vollzogen haben. Bis vor kurzem erfreuten sich die Sandwich-Inseln einer 1837 gegründeten constitutionellen Monarchie mit zwei Kammern, einer Art von Herren-und Abgeordnetenhauses. Die erste Kammer wurde nur durch die Bodeneigenthümer, die zweite durch alle des Lesens und Schreibens kundigen Bürger gewählt. Jede Kammer bestand aus vierundzwanzig Mitgliedern, die aber gemeinschaftlich vor dem aus vier Staatsräthen bestehenden königlichen Ministerium berathschlagten.
    »Hier gab es also gar einen König, sagte Yvernes, einen constitutionellen König, statt eines Affen mit Federschmuck, dem alle Fremden ihre unterthänigen Ehrenbezeugungen erwiesen!
    – Ich bin überzeugt, setzte Pinchinat hinzu, daß diese Majestät nicht einmal Ringe durch die Nase hatte… und daß sie sich von den geschicktesten Dentisten der Welt sogar falsche

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