Die Prophetin vom Rhein
Das verlangt Er von mir.«
»Schon jetzt gibt es zahlreiche aufgebrachte Stimmen von Klerikern, die dein öffentliches Predigen als Gotteslästerung anprangern …«
Hildegard schlug mit der flachen Hand so fest gegen die Kirchentür, dass die andere zusammenfuhr.
»Dann will ich all diesen Schwätzern noch mehr Anlass zum Tuscheln und Lästern geben! Denn ab jetzt werde ich nicht mehr nur vor den Kirchen predigen, sondern auch drinnen, und zwar direkt von der Kanzel«, rief sie. »Hillin, Erzbischof von Trier, ist bereit, die Pforten seines Doms für mich zu öffnen. Nun, was sagst du jetzt?«
»Aber das wird doch nur noch mehr Ärger geben! Hast du daran nicht gedacht?«
»Hedwig, was ist mit dir? Ich erkenne dich ja gar nicht wieder«, sagte Hildegard.
Tiefes Rot färbte Hedwigs Wangen. »Ich bin dir lästig, nicht wahr? Meine Fragen und Bedenken, eigentlich alles, was ich sage. Darf ich dich deshalb nicht nach Trier und Metz begleiten? Bruder Volmar wird unterwegs sicherlich brav den Mund halten und dich nicht mit Ähnlichem behelligen.«
Sogar im Dämmerlicht war unübersehbar, wie verschlossen
Hildegards Gesicht auf einmal geworden war. Plötzlich bekam Hedwig es mit der Angst zu tun. Sie hatte eine unsichtbare Grenze überschritten, nicht zum ersten Mal. Es ging gar nicht um das Predigen, das war ihr plötzlich klar geworden. Jedes Wort, das Theresa und ihrem ungewissen Schicksal galt, konnte bereits zu viel sein.
»Du bist ja eifersüchtig«, sagte Hildegard leise. »Aber das brauchst du nicht zu sein! Meine Liebe gehört doch euch allen. Das müsstest du eigentlich wissen, geliebte Schwester, nach all unseren gemeinsamen Jahren hinter diesen Mauern.«
»Manchen aber gehört sie ein wenig mehr.« Als hätte sich ein sorgfältig verschlossenes Wehr geöffnet, sprudelten nun die Worte ungehemmt aus Hedwig heraus: »Erst war es Richardis von Stade, die so hoch in deiner Gunst stand, dass du darüber beinahe uns andere vergessen hättest, später dann kam Theresa von Ortenburg, obwohl sie nicht einmal die Ewigen Gelübde abgelegt hatte, während ich immer nur …«
»Eifersucht ist eine glitschige Schlange, die sich so lange um unser Herz windet, bis sie alles Gute, das darin wohnt, erstickt hat. Ihr Atem ist giftig; er verdirbt, was eben noch unschuldig und rein war. Ihr kann lediglich die Liebe Widerstand leisten. Sie macht uns stark und ermahnt uns, uns nicht kampflos der Viper Eifersucht zu ergeben.«
Ohne zu überlegen, fiel Hedwig vor Hildegard auf die Knie und senkte ihren Kopf.
»Gehorsam, ich weiß, hochwürdige Mutter«, murmelte sie reuevoll. »Und tiefe Scham, weil du mich mit solch niederträchtigen Gefühlen ertappt hast. Ich bitte dich von ganzem Herzen um Vergebung. So alt bin ich schon geworden - und hab in all der Zeit noch immer nicht gelernt, in Demut meiner geliebten Abatissa zu vertrauen!«
Zu Hedwigs Überraschung neigte Hildegard sich über sie und küsste sie leicht auf die Stirn.
»Gott hat uns nach seinem Bild erschaffen«, sagte sie. »Und dabei doch jeden auf ganz ureigene Weise geformt. Darum ist die Welt auch wie ein Garten, in dem die unterschiedlichsten Blumen blühen. Bleib du ruhig eine üppig rote Trompetenblume, Hedwig, die keiner übersehen kann, weil sie sich überall bemerkbar macht! Dann werden in deinem Schatten auch weiterhin schüchterne Veilchen und zarte Primeln ihren Platz finden können.«
LOMBARDEI - HERBST 1162
Nun ritt er an der Seite von Rainald von Dassel durch das bezwungene Land und konnte von Tag zu Tag deutlicher spüren, wie berauschend Macht sich anfühlt. Heute waren sie noch in Verona, wo sie die podestà zu höheren Abgaben für Fluss-, Mühlen- und Wegbenutzung zwangen, ein paar Tage später schon in Lodi, wo mit gleicher Härte vorgegangen wurde. Im Brennpunkt aller Überwachung standen jene lombardischen Städte, die sich so frech gegen die Ansprüche des Kaisers erhoben hatten. Büßen sollten sie dafür, je länger und je heftiger, desto besser, erst recht, nachdem im Frühling nach endloser Belagerung Mailand gefallen und teilweise zerstört worden war.
Dass er so unmittelbar daran teilhaben durfte, erfüllte Dudos Herz mit Stolz. Dabei hatte sein überstürzter Aufbruch aus Mainz vor mehr als zwei Jahren eher einer Flucht geglichen. Sein waghalsiger Entschluss, jenseits der Alpen bei dem neu gewählten Kölner Erzbischof vorzusprechen, der mit dem kaiserlichen Heer Mailand belagerte, war purer
Not entsprungen. Doch länger als
Weitere Kostenlose Bücher