Die Prophetin vom Rhein
erledigt wie bisher, soll es auf Dauer gesehen Euer Schaden nicht sein.«
Vor Aufregung fand Dudo in dieser Nacht keinen Schlaf, obwohl der Palast, in dem Bischof Villani den kaiserlichen Legaten und seine Begleiter pflichtschuldig untergebracht hatte, prächtiger ausgestattet war als alles, was er bislang gesehen hatte. Doch nicht nur gespickter Kapaun, fetter Entenbraten, gebackener Karpfen und allerlei Getier aus dem Meer, gefolgt von überdekoriertem Zuckerzeug, lagen ihm schwer im Magen. Was ihn vor allem plagte, war die Entscheidung, wie seine weitere Zukunft sich gestalten sollte. Das Aroma von Macht war ihm inzwischen zur Genüge bekannt, und er hatte binnen weniger Monate mehr gelernt als früher in Jahren. Arnold von Selenhofen war ein Zauderer gewesen, jemand, der sich nur schwer entscheiden
konnte und ständig Angst hatte, das Falsche zu tun. Da war ein Rainald von Dassel aus ganz anderem Holz geschnitzt.
Doch neben diesem Riesen, wenngleich auch von kleiner Gestalt, konnte einem auf Dauer schnell die Luft zum Atmen knapp werden. Außerdem hatte Dudo allmählich genug von dem unsteten Leben im Sattel, und von Dassel unternahm keinerlei Anstalten, nach Köln zurückzukehren, um dort als Erzbischof zu amtieren. Bislang hatte er sogar darauf verzichtet, sich von Gegenpapst Victor VI., dem Kandidaten Barbarossas, zum Erzbischof salben zu lassen. Italien schien seine große Leidenschaft zu sein, und die Lombarden immer noch weiter in die Knie zu zwingen, war inzwischen geradezu seine Obsession geworden.
Seit Wochen schon begann eine Idee sich in Dudos Kopf zu formen, so schillernd und betörend, dass er Angst bekam, sie könnte vorschnell zerplatzen wie eine Seifenblase: Was von Dassel in Köln dringend brauchte, war ein Mann seines Vertrauens, der dort während seiner Abwesenheit das Domkapitel in Schach hielt und seine Geschäfte führte. Es gab keinen Geeigneteren als ihn, davon war Dudo überzeugt. Doch würde auch der Erzkanzler sich dieser Ansicht anschließen?
Während der zähen Verhandlungen mit den Vertretern Pisas, die anderentags im Bischofspalast anliefen und bald schon zeigten, dass die Pisaner schachern und feilschen würden, um das Beste für sich herauszuschlagen, kreisten Dudos Gedanken einzig und allein um diesen Punkt. Auch später noch, als er mit von Dassel bei Kerzenlicht an einer üppig gedeckten Tafel Spanferkelbraten und Nonnenpfürzchen verspeiste, konnte er an nichts anderes mehr denken, blieb einsilbig und ganz und gar mit sich selbst beschäftigt.
»Ein Silberstück für Eure Gedanken!« Rainalds wohltemperierte Stimme holte ihn wieder in die Gegenwart zurück. Die üppigen, stark parfümierten Huren, von Villani fürsorglich bestellt, hatte Dudo nach einem kurzen Blick angeekelt hinauswerfen lassen. Fette italienische Weiber waren offenbar nicht nach seinem Geschmack. Ob er Knaben bevorzugte? Viele Kirchenmänner teilten diese Vorliebe. »Worüber genau sinniert Ihr schon den ganzen Abend, Secretarius? Doch wohl kaum über die Fallstricke, die wir zwischen den Zeilen in unser künftiges Vertragswerk mit den Pisanern einbauen werden, ohne dass sie es zunächst bemerken.«
Was eigentlich hatte Dudo zu verlieren?
Erst einmal in Köln etabliert, könnte er dort ein Netz von Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten knüpfen, das irgendwann zu stark sein würde, um von außen zerrissen zu werden. Er würde seine leeren Taschen füllen und alles daransetzen, um beizeiten einen einflussreichen Posten in der Nähe des Kaisers zu erringen. Außerdem gab es da noch diese offene Rechnung mit den guten Christen, die in Mainz durch ihre überraschende Flucht seine Pläne schmählich durchkreuzt hatten. Und lebte angeblich nicht ausgerechnet in der schönen Stadt am Rhein die größte Gemeinde dieser gefährlichen Teufelsanbeter, die sich Kirche der Liebe schimpften? Ihnen den Garaus zu machen, würde ganz besonderes Vergnügen bereiten.
»Da Ihr mich jetzt so direkt fragt, Exzellenz«, erwiderte Dudo mit angestrengtem Lächeln, »sollt Ihr auch eine offene Antwort erhalten.« Sein Fuchsgesicht begann vor innerer Erregung zu glühen. »Ich möchte Euch meine Unterstützung zu Füßen legen, meinen Verstand - ja, mein ganzes Leben.« Zu seiner eigenen Überraschung gelang ihm das Kunststück, selbstsicher und demütig zugleich zu
klingen. Das musste der richtige Weg sein! »Natürlich nur, falls Ihr Bedarf dafür habt.«
Rainald von Dassel neigte als Zeichen seines Einverständnisses
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