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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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und vor allem diese schreckliche öffentliche Beichte der Vergangenheit an. Irgendwann würden vermutlich auch die quälenden Albträume der Kerkerhaft verblassen ebenso wie die Schuldgefühle, dass sie Adrian und Magota unterwegs zurückgelassen hatten, um ihr eigenes Glück zu wagen.
    Wie anders hätten sie handeln können? Nur so gab es die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft - zumindest hatte Theresa seit dem letzten Sommer fest daran geglaubt. Der Mann, den sie liebte, schien auf dem besten Weg zurück ins Leben. Sie waren keine Außenseiter mehr und teilten kein furchtbares Geheimnis, das sie von allen anderen trennte. Jetzt unterschied sie kaum etwas von den restlichen Bürgern Triers.
    Aber bedeutete das auch, dass Willem wie viele andere Männer heimlich zu den Hübschlerinnen schlich?
    Prüfend schaute Theresa an sich hinunter. Sonderlich anziehend sah sie nicht aus. Das Gewand mit den Spuren von der Entbindung lag im Korb, um am nächsten Waschtag am Moselufer kräftig geschrubbt zu werden. Doch was sie jetzt trug, war wenig kleidsam: ein sauberes, kastenförmiges Hemd, über dem ein grünliches loses Überkleid saß, das lediglich ein schmaler Ledergürtel zusammenhielt. Weil das Geld nach ihrer Flucht so knapp gewesen war, hatten sie sich anfangs mit dem Einfachsten begnügen müssen, was Theresa nicht viel ausgemacht hatte. Nur das rote Festkleid der Mutter, das in Mainz zurückgeblieben war, fehlte ihr manchmal.
    Aber wäre es jetzt, nachdem es aufwärtsging, nicht langsam
an der Zeit, Hanf und grobes Leinen hinter sich zu lassen? Ada hatte ihr von klein auf eingeschärft, dass eine Frau sich stets anziehend kleiden sollte. Theresa hatte diesen Ratschlag nur vergessen, weil es Wichtigeres gegeben hatte. Wichtig war vor allem, zu überleben. Und dabei möglichst keine Spuren zu hinterlassen, die Adrian verfolgen konnte.
    Deshalb auch der Weg nach Westen. Deshalb Trier, wo sie bislang auf keine Mitglieder der guten Christen gestoßen waren, die sie hätten verraten können.
    Theresa schüttelte den Kopf. An den schäbigen Stoffen lag es nicht, dass sie sich Sorgen um ihre Liebe machen musste, das wusste sie natürlich. Es war diese Fremdheit, die sich immer wieder zwischen sie und Willem schob, sobald sie an das Ungeborene denken musste, das sie durch Melines eigenmächtiges Handeln verloren hatte. Die Mainzer Wehmutter hatte es gut gemeint, hatte ihr in einer offenbar bedrängten Lage helfen wollen - und sie dabei doch so tief verletzt. Aus Angst, erneut zu empfangen und noch einmal Ähnliches durchmachen zu müssen, hatte Theresa Willem abgewiesen, sobald er sich ihr zu nähern versuchte, und scheinbar hatte er sich klaglos in ihre Entscheidung gefügt. Sie jedoch traute diesem Frieden schon länger nicht mehr.
    Zwar waren Willem durch Adrian von Kindheit an Keuschheit und Enthaltsamkeit als höchste Tugenden gepredigt worden, doch dank der Liebe zu ihr hatte er die Wonnen der körperlichen Lust sehr wohl zu schätzen gelernt. Man konnte nur das vermissen, was man kannte und liebte. Und dass Willem das tat, spürte Theresa, selbst wenn er ihr gegenüber niemals davon sprach.
    Wie lange hielt ein gesunder Mann solchen Entzug aus, ohne sich auf anderem Weg Erleichterung zu verschaffen?
Und lag nicht genug an Schrecklichem hinter ihnen, um ihm endlich in ihren Armen seliges Vergessen zu schenken?
    Theresa löste den Zopf, den sie trug, um während der Geburten möglichst ungestört arbeiten zu können. Am letzten Markttag hatte sie aus einem plötzlichen Impuls heraus an einem der Stände einen geschnitzten Kamm aus Hirschhorn gekauft, den sie nun so lange durch ihr dunkles Haar zog, bis es seidig und knisternd auf ihre Hüften fiel.
    Sie war gerade damit fertig, als die Tür aufging. An dem Leuchten in Willems geheimnisvollen Augen, die sie noch immer in den Bann zogen wie bei der allerersten Begegnung, erkannte sie, dass ihre Überraschung offenbar gelungen war.

RUPERTSBERG - HERBST 1162
    O Rönig, es ist sehr nötig, dass Du vorsichtig handelst. Ich sehe dich nämlich in einer geheimnisvollen Schau wie ein Rind und wie einen unbesonnen lebenden Menschen vor den lebendigen Vugen Gottes. Irotzdem aber hast Du noch Beit zur herrschaft über irdische Belange. Hüte Dich aber, dass der himmlische Rönig Dich nicht wegen der Blindheit Deiner Vugen, die nicht recht sehen, wie Du das Bepter zum richtigen Regieren in Deiner hand halten sollst, niederstrectt! Sieh auch darauf, so zu sein, dass die Gnade Gottes

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