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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Sorgen machen. Empfangen kann sie ja! Zwei Söhne hat sie ihm bereits geschenkt, wenngleich der Allmächtige diese Kinder nach seinem unerfindlichen Ratschluss sehr jung wieder zu sich genommen hat.«
    »Jetzt aber braucht sie dringend einen Thronfolger, der am Leben bleibt, sonst könnte ihr womöglich das gleiche Schicksal drohen wie ihrer Vorgängerin. Sie steht unter einem gewissen Druck. So hört es sich jedenfalls für mich an.« In Hedwigs Augen glomm auf einmal ein seltsamer Schimmer. Dachte sie gerade an die Kinder, auf die sie verzichtet
hatte, weil sie aus freien Stücken ein Leben in Gott gewählt hatte?
    »Ein wenig Geduld kann niemals schaden. Wir haben ihr in unserem Antwortschreiben empfohlen, Perlen zu tragen und pulverisierte Perlen in kleinen Dosen einzunehmen, um erneut schwanger zu werden. Dazu Bäder unter Zusatz von Kräutern heißer Natur wie Beifuß, Wermut, Tausendgüldenkraut und Holunder. Von Benigna kam der Rat, sich am ganzen Körper mit Hasenfett einzureiben, um die Empfängnisbereitschaft zu erhöhen. Am wichtigsten aber ist es, dass ihre Seele wieder in Balance kommt und diese Ausgewogenheit auch behält. Kräftezehrende Ritte über Wochen, um ihrem kriegführenden Gemahl nah zu sein, damit er sie im Feldlager schwängern kann, tragen dazu gewiss nicht bei.«
    Hildegards Stimme war scharf geworden, fiel aber wieder in die gewohnte Tonlage zurück, als sie weitersprach.
    »Zusätzlich könnte der Kaiser gebratene Hasenhoden verzehren, sobald er, was ja schließlich die Grundvoraussetzung für das Gelingen dieses Plans wäre, wieder diesseits der Alpen weilt.«
    Sorgfältig blies Hedwig die letzte Kerze aus. Im vergangenen Winter war durch die Unachtsamkeit einer Novizin ein Feuer im Scriptorium ausgebrochen, dem um ein Haar all die kostbaren Handschriften und Codices des Rupertsbergs zum Opfer gefallen wären. Einzig und allein Schwester Lucillas wache Aufmerksamkeit hatte im letzten Augenblick das Schlimmste verhindern können.
    »Was, wie ich hoffe, recht bald der Fall sein wird«, fuhr die Magistra fort, die die Leiterin des Scriptoriums bei allem, was diese tat, nicht aus den Augen ließ. »Zum Wohle nicht nur seiner jungen Gemahlin, sondern auch des ganzen Reiches, das unter seiner jahrelangen Abwesenheit
ächzt und stöhnt wie ein vernachlässigtes Weib. Für den Winter ist ein Hoftag in Konstanz anberaumt, wie ich von meinem Bruder erfahren habe. Spätestens dort wird mein Brief Kaiser Friedrich erreichen. Ich hoffe, noch bevor er die aufsässigen Mainzer bestrafen wird, die ihren Erzbischof heimtückisch ermordet haben.«
    Seite an Seite liefen sie hinüber zur Kirche.
    »Heißt es nicht, es seien die guten Christen gewesen, die jenes scheußliche Verbrechen begangen haben?«, fragte Schwester Hedwig. »Jedenfalls sollen sie nach dem Mord spurlos aus ihren Verließen verschwunden sein.«
    »Schon möglich«, sagte Hildegard.
    Hedwig warf ihr einen erstaunten Blick zu. Sonst ließ die Magistra keine Gelegenheit aus, um die Schändlichkeit jener Ketzer anzuprangern. Auf nahezu jeder Station ihrer Predigtreisen hatte sie sie mit scharfen Worten gegeißelt. Traute sie ihnen diesen letzten entsetzlichen Schritt etwa nicht zu?
    »Du klingst so zögerlich, hochwürdige Mutter!«, sagte Hedwig unsicher. »Das kenne ich gar nicht an dir.«
    »Ich werde sie jagen, bis sie vom Angesicht dieser Erde verschwunden sind«, sagte Hildegard grimmig. »Ist es das, was du von mir hören willst?«
    »Fürchtest du etwa, Theresa könnte sich noch immer nicht von ihnen gelöst haben? Oder dass sie womöglich sogar an der Planung oder Ausführung des Mainzer Mordes beteiligt war?«
    Die Magistra zog die Schultern hoch, als ob sie plötzlich fröstelte. Schwester Hedwig aber war entschlossen, endlich das loszuwerden, was ihr schon lange auf dem Herzen lag.
    »Du willst sie also noch immer finden«, sagte sie. »Um jeden Preis, so ist es doch! Auf all deinen Predigtreisen
hältst du Ausschau, ob Theresa nicht vielleicht in der Menge ist und deinen Worten lauscht. Dafür nimmst du alle nur erdenklichen Strapazen auf dich, sogar eine Reise spät im Jahr, bei der dich schon die ersten Winterstürme beuteln könnten.«
    »Wie viel lieber wäre ich hiergeblieben, hier bei euch! Hatte ich nicht schon alle diesbezüglichen Pläne verworfen? Aber du weißt ja, was dann geschehen ist: Schwer krank bin ich geworden, wie jedes Mal, wenn ich mich einem Befehl des Lebendigen Lichts entziehen will. Ich muss reisen.

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