Die Prophetin vom Rhein
Onkel, den Diakon, aufzustehen.
Als Adrian Willem schließlich ausfindig gemacht hatte, begann eine bessere Phase, doch sie währte nicht lange, weil er unschlüssig war, mit welchen Mitteln er den Neffen zurückgewinnen könne. Unzählige Briefe setzte er auf, ohne jemals einen von ihnen abzuschicken. Ständig kamen geheime Boten aus Trier, um zu berichten, was Willem tat und mit wem er verkehrte. Besonders seine Nähe zu dem Juden Simon war Adrian ein spitzer Dorn im Auge.
»Hat er denn alles vergessen, was ich ihn jemals gelehrt habe?«, schrie er. »Ausgerechnet mit einem aus dem Mördervolk unseres Herrn lässt er sich ein!«
Unruhig begann er nun, auch Auskünfte über Simon ben Jehuda einzuziehen, die zunächst im Sand verliefen. Schließlich jedoch fand er heraus, dass dieser heimlich mit einer Christin zusammenlebte, die er nun offenbar auch noch geschwängert hatte - das waren brauchbare Informationen, die Adrian sich für später aufhob.
Dann erreichten weitere Flüchtlinge Köln. Ob sie nun aus Kitzingen oder Schweinfurt kamen, aus Würzburg oder Wertheim - überall, so berichteten sie, donnerte die Posaune Gottes gegen die guten Christen, die in der Folge bald eine Fülle verschiedenster Maßnahmen zu spüren bekamen. Selbst an Orten, wo sie seit Langem ungestört hatten leben und ihrem Glauben nachgehen können, blies ihnen seit Hildegards zorniger Offensive ein eisiger Wind entgegen.
Schließlich wurde bekannt, dass die nächste Station der Magistra Trier sein würde. Das war der Moment, in dem Adrian sich entschlossen hatte, Theresa mit seinem Verlangen direkt anzugehen. Ob er Erfolg damit gehabt hatte, wusste Magota nicht, denn ihr verriet er keine Silbe über den Ausgang. Sie selbst glaubte nicht daran. Hildegard und dieses Teufelsweib Theresa waren aus ähnlichem Holz geschnitzt, die eine so stur wie die andere, und keine ließ sich etwas von anderen sagen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte Magota von beiden niemals im Leben mehr etwas gehört. Doch das war leider unmöglich: Die Magistra hockte noch immer auf ihrer Mitgift, von der sie ihr bis heute keinen Kreuzer zurückgegeben hatte. Und Theresa war der Grund, dass Adrian ihr das rote Hurenkleid aufzwang, das ihn jedes Mal in Ekstase versetzte, sobald sie es trug.
Dass er in den letzten Tagen ein merkwürdiges Lächeln aufsetzte, wenn er sie darin ansah, machte die Sache noch
schlimmer. Offenbar brütete er etwas aus. Und Magota konnte beileibe nicht sicher sein, dass es sich nicht gegen sie richten würde.
TRIER - JANUAR 1163
»Theresa, komm! Schnell!«
Es war Simon, der mit beiden Fäusten an ihre Tür schlug, so heftig, als sei ein ganzes Heer von Teufeln hinter ihm her.
»Was ist passiert?«, rief sie voller Angst. »Doch nicht Willem?«
»Die Mühle, Theresa, sie brennt! Ich hab für dich eine Stute mitgebracht. Los, steig auf!«
Sie trieben die Maultiere zur Höchstleistung an, doch der Weg nach Zewen schien dennoch endlos. Schon von Weitem sahen sie die schwarze Rauchsäule, die in den blanken Winterhimmel stieg. In der Nacht hatte es geschneit, und als sie näher kamen, war der weiße Grund rund um die Mühle von verkohlten Balkenresten gesprenkelt.
Willem saß ein Stück abseits, den Kopf in den Händen vergraben, ein Bild hilflosen Kummers.
Theresa lief zu ihm, wollte ihn tröstend umfangen, er aber stieß sie zurück.
»Geh weg!«, schrie er tränenüberströmt. »Fass mich nicht an! Es ist alles verloren. Siehst du das denn nicht?«
Hilfesuchend wandte sie sich zu Simon um.
»Die Männer aus dem Dorf haben zu löschen versucht«, sagte der. »Aber sie kamen wohl zu spät. Die Brandstifter haben ganze Arbeit geleistet.«
»Man hat eure Mühle abgefackelt?«, fragte Theresa mit erschrockenen Augen.
Simon nickte. »Der Überfall auf Willem war wohl erst der Anfang. Sie wollen, dass wir gehen. Noch deutlicher konnten sie es uns kaum zeigen.«
»Aber was soll denn jetzt nur werden?«, murmelte sie verzweifelt. »Das ganze Geld, das du uns geliehen hast! Unser Leben, unsere Zukunft …«
»Wir gehen fort von hier.« Hatte Willem das gerade gesagt? »Ich kann nicht länger in Trier leben. Mein Entschluss steht fest.«
»Aber wohin denn, Willem? Und womit? Wir haben doch nichts mehr!«
»Das wird sich zeigen. Hast du nicht einmal gesagt, Kinder würden überall geboren?« Die Spur eines Lächelns huschte über sein verrußtes Gesicht.
Theresa schluckte. Die Vorstellung, nach mühsamen Anfängen hier alles verlassen
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