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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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aufgesetzt, die ihr Angst einjagte oder sie wütend machte, weil sie ihn dann nicht mehr erreichen konnte. Fragen, die sie an ihn stellte, beantwortete er ausweichend, oder er tat, als habe er sie überhört. Deshalb hatte sie ihm bislang noch nichts von ihrer Schwangerschaft erzählt, so schwer ihr dies auch gefallen war.
    Ein wenig Erleichterung verspürte sie beim Anblick des Rheins. Der große Strom, an dessen Ufern sie schon in Bingen und Mainz dem Spiel der Wellen zugesehen und die Schiffe beobachtet hatte, erschien ihr wie ein starkes Band, das sich durch ihr ganzes Leben schlängelte. Und hatte sie nicht ausgerechnet auf einer schwankenden Rheinfähre zum ersten Mal in Willems rätselhafte Augen geschaut?
    Als sie Köln schließlich erreichten, war ihr Fieber stark angestiegen, und sie hatte Schüttelfrost. Doch Willem lehnte ihren zaghaften Vorschlag ab, als Erstes ins Judenviertel zu reiten und dort Simons Vetter Saul um Unterschlupf zu bitten, bis sie wieder gesund wäre. Er trieb vielmehr die Maultiere weiter, bis er plötzlich vor einem ansehnlichen Haus am Heumarkt haltmachte.
    Fürsorglich half er Theresa beim Absteigen, wobei sie eine neue Welle von Übelkeit erfasste, gegen die sie tapfer anzukämpfen versuchte. Willem stützte sie und führte sie zur Tür.
    »Unser neues Zuhause!« Stolz schwang in seiner Stimme. »Gefällt es dir?«
    Wie hatte er das alles nur aus der Ferne zustande gebracht? Als sie das Anwesen in Augenschein nahmen, erkannte Theresa überall Gegenstände aus ihrem bescheidenen
Trierer Haushalt, die hier allerdings sehr viel besser zur Geltung kamen und plötzlich gar nicht mehr ärmlich wirkten: die Kannen, die Töpfe, die Truhen, die kupfernen Kandelaber, der alte Tisch mit seinen Astlöchern, alles stand bereit, als habe es nur auf sie gewartet. Das Haus war heller, die Räume höher, und die Herdstelle besaß sogar einen Kamin, durch den der Rauch abziehen konnte. Ein flackerndes Feuer sorgte für angenehme Wärme.
    »Aber wovon sollen wir das alles bezahlen?«, murmelte sie, erleichtert, dass die Übelkeit wenigstens für den Augenblick vorüber war, während Willem sie aus den feuchten Kleiderschichten schälte und in trockene Decken hüllte. »Die Schulden bei Simon, der Wegfall deiner Einkünfte …«
    »Nichts, worum meine kranke Liebste sich heute Gedanken machen müsste.« Sanft schob er sie dick eingemummt auf die Treppe, die zum nächsten Stockwerk führte, wo die Schlafkammer war. »Spürst du das?« Durch eine Bodenluke drang die Wärme nach oben. Zudem hatte jemand neben der Bettstatt ein Kohlenbecken aufgestellt, in dem rötliche Glut leuchtete. Und eine dicke Pelzdecke aus Marderfell lag auch da, die mehr als einladend wirkte. »Das mit dem Frieren hat jetzt für alle Zeit ein Ende!«
    Theresa fiel geradezu auf den seidigen Pelz, so erschöpft war sie, und sie schlief sehr schnell ein. In wirren Fieberträumen meinte sie, eine weibliche Stimme zu hören, die ihr Suppe und etwas zu trinken anbot, und einmal glaubte sie sogar zu spüren, wie ihr Kopf behutsam angehoben und ihr etwas Heißes eingeflößt wurde, das sie mühsam schluckte.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, war der Platz neben ihr leer. Hinter ihren Schläfen pochte ein greller Schmerz, und die Kehle war rau wie Schmirgelleinen. Mühsam kroch sie aus dem Bett, schaffte es aber nicht einmal bis zur Tür.

    »Schlüpf besser gleich wieder unter deine Decken!« Die Frau, die ihr lächelnd den Weg verstellte, war klein, nicht mehr ganz jung und untersetzt. Auf den ersten Blick mochte sie eine leise Ähnlichkeit mit Meline besitzen, doch ihre penibel geflochtenen Haare waren hellbraun, nicht grau meliert, und das dunkle Kleid wies nicht einen einzigen Flecken auf. »Ich bin Marlein, eure Nachbarin, und will nach dir sehen, weil dein Mann mich darum gebeten hat. Wie geht es dir, Theresa?«
    »Willem«, flüsterte Theresa, weil das Sprechen so wehtat. »Wo ist er?«
    »Bald wieder zurück, das soll ich dir von ihm ausrichten. Ich hab dir Andorntee gebraut und einen Laib frisches Brot gebracht, damit du schnell wieder zu Kräften kommst.«
    Theresa trank dankbar. Zum Essen hatte sie keine rechte Lust.
    »Hast du all diese kleinen Wunder hier vollbracht?«, krächzte sie mühsam. »Wie freundlich von dir, wo du uns doch noch gar nicht gekannt hast!«
    Eine wegwerfende Geste. »Gebietet der Glaube uns nicht, mildtätig und barmherzig zu sein, auch und gerade Fremden gegenüber?«, sagte Marlein, während

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