Die Prophetin von Luxor
vergangen, Herr«, antwortete sie ausweichend. Wie konnte er nur glauben, daß sie RaEm war? Weil er sich das wünschte. Er liebte RaEm.
»Sie ist vergangen, RaEm«, bestätigte er. »Sie spielt keine Rolle mehr, nicht wirklich, aber trotzdem bin ich neugierig.«
Chloe befingerte die Leinendecke und rang sich zu einer Antwort durch. Sie lebte sowieso nur eine Lüge, was tat da eine weitere zur Sache? »Wir waren so jung. Wir haben nichts vom Leben gewußt und brauchten mehr Zeit, um uns sicher zu sein.«
Cheftu senkte den Blick, woraufhin die Sonne blaue Glanzlichter in seinem Haar entzündete. »Wir haben im Garten nicht miteinander gesprochen, RaEm. Entsinnst du dich nicht? Dies war unsere einzige Unterhaltung.« Er beugte sich vor, legte seine Lippen, leicht wie Luft und sehr weich, auf ihren Mund, bis ihre Lippen schmolzen. Sie schnappte mit offenem Mund nach Luft, und Cheftu erforschte bedacht und provokativ das Innere. Als Chloe innerlich zu Quecksilber zerflossen war, löste er sich von ihr. »Entsinnst du dich jetzt?«
»Wenn wir uns nicht unterhalten haben, wie kannst du mir dann vorwerfen, ich hätte Grobheiten zu dir gesagt?« fragte sie.
Cheftu löste sich von ihr. »Auch das hast du vergessen, Mondschein?«
Chloe zog die Achseln hoch und wandte den Blick ab. »Ich erinnere mich an so viele Dinge vor dem Unfall nicht mehr.«
»Es ist schwer, sich zu erinnern, wenn man nicht derselbe Mensch ist, hau?« Seine Miene blieb ernst, und sein Blick war offen und liebevoll. »Wer bist du? Woher kommst du? Bitte verrate es mir.«
»Wieso willst du noch mehr wissen? . Ich bin die Priesterin der -«
»Nein«, fiel er ihr ins Wort. »Ich weiß, daß du das nicht bist.«
»Weshalb willst du das wissen? Für dich soll ich doch RaEm sein. Für dich wäre meine Geschichte reine Tollheit. Du würdest mir kein Wort glauben«, fuhr Chloe fort, das Gesicht halb abgewandt.
Er zog ihr Kinn zurück, so daß sie ihn ansah. »O meine schöne Schwester, ich werde dir glauben ... und zwar alles! Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um dich zu beschützen. Ich verdiene dein Vertrauen. Laß mich die Wahrheit hören!«
»Was ist denn wahr?«
Cheftu sah sie eindringlich an, strich ihr das lange Har aus dem Gesicht, streichelte mit dem Daumen ihre Unterlippe.
Chloe mußte darum kämpfen, in seiner Umarmung ruhig zu atmen. »Wahr ist, daß ich RaEm gekannt habe.« Er atmete tief durch. »Und zwar sehr gut. Sie hat mich zum Mann gemacht.« Chloe versuchte, sich ihm zu entwinden, doch Cheftu drückte sie an seinen Leib, preßte ihr Gesicht gegen seine Brust.
Seine Stimme dröhnte durch ihren Körper. »Du siehst ihr ähnlich - wahrhaftig, ihr könntet fast Bauch-Schwestern sein. Doch eure Körper sind verschieden. Eure Münder sind verschieden«, erklärte er und zog dabei ihren Kopf zurück, bis sie ihm ins Gesicht sah. »RaEmhetepet hat von den Männern immer nur genommen. Sie hat nie etwas gegeben.« Er lächelte. »Du gibst mir etwas, selbst wenn du Schmerzen dabei leidest. Du bist so schön, in deiner Gestalt und in deinem Wesen. RaEm hatte bloß einen schönen Körper, auch wenn ich das erst herausgefunden habe, als ich schon fast mit ihr vor dem Altar stand.« Seine Finger fuhren ihre Gesichtszüge nach, und Chloe blickte ihn mit Tränen in den Augen an. Er fing eine Träne mit dem Finger auf, bevor sie sich lösen konnte, und strich schwer atmend die salzige Flüssigkeit über ihre Lippen. Sein Blick war eindringlich, doch auch abwägend. Erneut atmete er tief durch. »Auch weil deine Augen anders sind. Sie sind so rein und frisch, genau wie deine Seele. Doch sie sind auch kritisch und aufmerksam ... und grün wie die Wiesen in ma belle France.«
DRITTER TEIL
11. KAPITEL
Nachdem sie monatelang ausschließlich eine fremde Sprache gehört hatte, die sie sowohl verstehen wie auch sprechen konnte, trafen sie die französischen Worte aus Cheftus fein gemeißeltem Mund wie ein eisiger Windstoß.
Chloe riß sich von ihm los. »Was hast du gesagt?« fuhr sie ihn auf englisch an.
Er stürzte sich auf sie, bernsteinfarbenes Feuer in den Augen. Ein paar Sekunden lang sprudelte zusammenhangloses Zeug aus seinem Mund, dann sagte er, in kaum verständlichem Englisch: »Mein Liebling, du bist auch gereist? Woher kommst du?«
Chloe blickte ihm ins Gesicht; er ließ seiner Aufregung freien Lauf, sie konnte sie nur zu deutlich spüren. War es die Folge von zuviel Sex, zuwenig Schlaf und sehr wenig zu essen? Oder der Nachhall
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