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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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in die Fußstapfen der Königsfamilie von Theben und betrete das Haus des Gottes, ein Haus, das über zweitausend Jahre hinweg für den Gott, seine menschliche Familie und seine Priester erbaut wurde. Lausche der geflüsterten Antwort des allwissenden, allseienden Schöpfers. Schreite voran, o Sterblicher, und schaue den verborgenen Glanz des Unerkennbaren.«
    Anton ergriff mit seiner warmen, trockenen Hand meine, und wir gingen mit der Menge weiter. Das Licht des Mondes verschwand, als wir den Vorhof durchquerten und, vorbei an einer riesigen Statue Ramses des Zweiten, in den großen Säulensaal traten.
    Plötzlich wurde mir bewußt, wie verschieden von unserer modernen Welt tatsächlich das alte Ägypten war, wo es tierköpfige Götter gab, wo Brüder ihre Schwestern heirateten und alle halbnackt herumliefen. Es schien unendlich weit von unserem westlichen Denken entfernt zu sein.
    Die Fremdartigkeit meiner Umgebung ließ mich schaudern. Nicht nur, daß ich hier nicht auf heimischem Boden war, alles kam mir so eindringlich und auf geradezu verstörende Weise exotisch vor.
    Immer noch tönte die Stimme über der ehrfürchtig schweigenden Menge. »Hier in Karnah zeigen sich die Dynastien in ihrer ganzen Erhabenheit. Ich bin der Neter: der Allvater, die Mutter, die den Urquell alles Lebens geboren hat. Ich bin die
    Sonne des Tages und der Verteidiger der Nacht.«
    Dann sprachen die Stimmen gemeinsam: »Alles, was ist, erschaffe ich aus dem Chaos. Ich schreite voran, um den Menschen einen Lebenspfad zu bahnen. Komm und verehre das Ewige.«
    Die nächste gute Stunde malte ich mir den Tempel in all seiner Pracht aus: Priester mit rasierten Köpfen, in Leopardenfelle gekleidet, die hin und her eilten, um alle möglichen eingebildeten Bedürfnisse des goldenen Gottes zu befriedigen; die niemals endenden Bauarbeiten, weil jeder Pharao dem Tempel seinen unvergänglichen Stempel aufzudrücken versuchte; die Massen an Gold und Juwelen, die angeblich den Tempel geschmückt hatten. Als die Lichter rund um den Heiligen See erstrahlten, begriff ich, daß ich mich beeilen mußte, falls ich über Nacht bleiben und den Sonnenaufgang im Tempel von Karnak miterleben wollte.
    Wir schwammen im Strom mit, der von der Touristenpolizei mit höflichen, aber bestimmten Gesten durch den Tempel geleitet wurde. Anton legte den Arm um meine Taille, damit ich nicht zerquetscht wurde. Als wir, noch innerhalb der Umzäunung, aus dem uralten Gemäuer traten, sah ich meine Chance kommen.
    »Anton, da drüben ist ein Waschraum. Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.«
    Er sah mich entgeistert an. »Ach, Sie meinen die Toilette? Diese amerikanischen Euphemismen für ganz natürliche Bedürfnisse verstehe ich einfach nicht«, brummelte er. »Gehen Sie, ich werde auf Sie warten.«
    Damit war es Zeit für Plan Zwei. »Seien Sie nicht albern. Da drüben, gleich hinter dem Tor, ist ein Café. Warten Sie dort auf mich, ich komme gleich nach«, schlug ich vor. Er sah mich neugierig an, ich glaubte aber, daß ich nur mein schlechtes Gewissen spürte, weil ich einen so netten Kerl anlog.
    Er zuckte mit den Achseln und drückte kurz mein Taille, dann ging er davon. Ich kämpfte mich durch den Menschenstrom zurück und arbeitete mich schließlich seitwärts zu den abstoßenden, überlaufenden Toiletten vor. Der Gestank ließ mich würgen, deshalb entfernte ich mich wieder und setzte mich hinter eine Säule, entgegen der Windrichtung von den Toiletten.
    Ich konnte das Café erkennen, wo sich Anton an einem Tisch gegenüber dem Eingang zum Tempel niedergelassen hatte. Ich fluchte leise. Zeit für das Notfall-Ablenkungsmanöver.
    Nach einem kurzen Blick über die arabischen Kinder in meiner Nähe entschied ich mich für einen zerlumpten Jungen und winkte ihn zu mir her. Nachdem ich ihn mit einem Geldschein und einem Kugelschreiber entlohnt hatte, wies ich ihn an, Anton einen zusammengefalteten Zettel zu überbringen. Der attraktive Doktor war inzwischen in ein shesh-besh-Spiel verwickelt, und ich überlegte kurz, ob ich mich zu ihm gesellen sollte. Er war ausgesprochen nett und unterhaltsam gewesen, und er sah auf seine lockere, intellektuelle Art eindeutig gut aus. Camille wäre begeistert, dachte ich versonnen.
    Der Junge war bereits bei ihm angekommen, und ich beobachtete, wie Anton meine Nachricht las, auf der ich ihm mitteilte, daß ich meine Schwester und eine alte Freundin getroffen hätte und wir in das Hotel meiner Freundin gegangen seien und daß wir

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