Die Prophetin von Luxor
durch Verdauungsstörungen verursachter Alptraum?
Einbildung? Schwere Drogen? Wahnsinn?
Zitternd klammerte sie sich an dem fest, was sie als Altar ansah, zog sich auf die Füße - und fiel prompt wieder um.
Jemand eilte an ihre Seite. »Herrin, Herrin? Bei den Göttern, was ist passiert?«
Chloes umnebelter Verstand nahm ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit einer schweren schwarzen Perücke auf dem Kopf und schwarz umrandeten Augen wahr, das in einem weißen Kleid, bei dem eine gebräunte Brust frei blieb, neben ihr kniete, dabei ihre Hand hielt und mit einer Stimme und mit Worten losplapperte, die wie bei einem Autotelefon am Rande des Empfangsbereichs mal ausgezeichnet und mal überhaupt nicht zu verstehen waren. Chloe hörte Schritte auf dem Gang, und das Mädchen beugte sich mit besorgter, ehrfürchtiger und reichlich ängstlicher Miene über sie.
Zwei dunkelhäutige, drahtige und kahlköpfige Männer traten in den Raum. Sie trugen Kleider! Das war neu, selbst für ihre bisweilen recht wilden Träume. Wo im verfluchten Universum war sie hier eigentlich? Sie faßte nach dem silbernen Ankh, der um ihren Hals hing; ihre fleckigen Finger tasteten danach ... komisch, er hing viel tiefer als sonst. Sie blickte nach unten und sah ihren Leib, der lediglich von ein paar weißen Stoffetzen an einem Gürtel um ihre Taille verhüllt und mit Schlieren von rotem Wasweißich verschmiert war. Auch ihre Hände waren damit überzogen.
Was zum Teufel wurde hier gespielt? Chloes Kopf schien eine Tonne zu wiegen. Immer wieder sackte er zur Seite, während sie versuchte, das Mädchen im Blickfeld zu behalten und zu begreifen, was es sagte. Das Mädchen sprach hastig und mit fliegenden Händen zu den beiden Männern. Chloe hörte den Ärger und die Angst in ihrer Stimme, hatte aber keine Ahnung, weshalb sie so aufgeregt war.
Der Gedanke, den Chloe keinesfalls in Erwägung ziehen wollte, drückte, zwängte und bohrte sich in ihr Bewußtsein, bis sie keinen anderen Ausweg mehr sah, als in Ohnmacht zu sinken und zu hoffen, daß sie bald wieder zu sich kommen würde, und zwar in den Ruinen eines Tempels, wo ihr jemand namens Mohammed half, der eine Flasche Cola bei sich hatte.
Doch das war wohl zuviel verlangt.
Statt dessen wurde sie von einem peinigenden Kribbeln geweckt. Sie schreckte hoch, in der vollen Erwartung, große Teile ihres Körpers von Feuerameisen bedeckt zu sehen. Jammernd wälzte sie sich herum, konnte aber nicht sagen, was sie so juckte.
Plötzlich war der brennende Juckreiz vorbei und einer außerordentlichen geistigen Klarheit und Wahrnehmung gewichen. Endlich konnte sie wieder ihren Körper bewegen und etwas außerhalb ihres Gesichts spüren. Ihre Finger strichen über das glatte, bemalte Holz ihres Bettes und fuhren das herausgeschnitzte Muster nach. Auf ihren Knien, ihrem Bauch und ihren Brüsten spürte sie ein grobes Leinentuch. Chloe sah sich um. Das Zimmer war vollkommen weiß, hatte einen Vorhang vor der Tür und zu ihrer Rechten einen kleinen Alkoven. Es konnte jedes beliebige Zimmer sein, an jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit.
Ein Irrenhaus, dachte sie. Das mußte es sein. Wo war ihre Zwangsjacke? Wenn im Film jemand in einem solchen Raum aufwachte, hatte er immer eine Zwangsjacke an.
Sowie ihre Gedanken klarer wurden, stürzten Möglichkeiten und Unmöglichkeiten auf sie ein. Der einzige rationale Schluß war, daß man sie gekidnappt und ihr eine starke, bewußtseinserweiternde Droge gegeben hatte. Es war begreiflich, daß sie von Ägypten träumte, schließlich hatte sie sich während des vergangenen Monats vor allem damit beschäftigt.
Gerüchteweise hatte sie von Entführungen und weißer Sklaverei gehört. Die Regierungen gingen zwar dagegen vor, trotzdem kamen solche Dinge in Ägypten und dem Nahen Osten immer noch vor. Doch Chloe hatte sich einigermaßen sicher gefühlt, denn schließlich war sie die Antithese zu dem, was man im Nahen Osten für attraktiv hielt. Laut Cammy hatten die alten Ägypter ihren Satan immer als Rotschopf dargestellt, und noch heute fürchteten sich ungebildete Ägypter vor hellen Augen und roten Haaren. Darum hatte sie nicht angenommen, daß man auf sie aussein könnte.
Nicht zu vergessen, daß sie den meisten Ägyptern zu groß und zu dünn war.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, weil der Türvorhang zurückgezogen wurde und das Mädchen aus dem Tempel eintrat - jedenfalls glaubte Chloe, daß es das Mädchen war.
Als das Mädchen sah, daß
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