Die Prophetin von Luxor
ihr genauso fremd wie sie uns. Wie konnte das passieren?«
Chef tu fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Es hat etwas mit Hathors Silberkammer zu tun. Ich weiß es noch nicht. Sie hat es nicht verdient, für einen solchen Irrtum zu sterben, aber das kann ich Pharao kaum klarmachen.«
Makab drehte sich wieder zu ihm um. »Woher weißt du all diese Dinge, Cheftu? Wieso hat sie ausgerechnet dir vertraut?«
Cheftu erhob sich zu voller Größe und sah Makab lange an.
»Du hast mich doch schon als Kind gekannt?«
»Natürlich. Wir waren beide W’er-Priester und haben als älteste Söhne unsere Zeit im Tempel abgeleistet, bis man uns nach Hause gerufen hat, damit wir für unsere Familien sorgen.«
»Genau.«
Makab sah ihn eindringlich an, die dunklen Augen angestrengt zusammengekniffen. Mehrere Minuten verstrichen, dann stolperte er plötzlich einen Schritt zurück.
»Wer bist du?«
»Wieso fragst du das?«
»Du warst ein kränkliches Kind. Du konntest weder schnell laufen, noch konntest du jagen. Du hattest Schwierigkeiten beim Lesen. Jetzt bist du schneller als eine Katze, ein Jäger und ein Gelehrter, der sich innerhalb weniger Tage die Schriftrollen im Tempel einprägt.« Makab atmete tief ein und zog die Stirn in Falten. »Eines Tages hat man dich in Hathors Kammer auf dem Boden gefunden. Tagelang warst du krank.« Seine Hand schloß sich um das Amulett um sein Handgelenk.
»Was bist du?«
»Ich bin dein Freund, Makab. Aber«, er hielt inne, »ich war auch ein junger Mann mit glänzender Zukunft und einer liebenden Familie, der nach Ägypten gereist war, um die Hieroglyphen zu entziffern.« Cheftu seufzte, als er sah, wie Angst die Miene seines Freundes entstellte. Er setzte sich wieder. Dann reichte er seinem Freund Makab seinen Dolch, das Heft voran. »Wenn ich für dich ein Kheft bin, mein Freund, dann töte mich. Ohne Chloe hält mich ohnehin nichts mehr in diesem Leben. Oder du wartest einfach ab. Ich bin der Erstgeborene, also habe ich sowieso nicht mehr lange zu leben.« Er lächelte traurig.
Makab nahm den Dolch und sah seinen Freund an.
Cheftu beobachtete ihn mit absolut ausdrucksleerem Gesicht. Völlig gelassen hob er die Hand, riß den Kragen seines Leinenhemdes auf und legte die braune, haarlose Brust eines Adligen frei. »Tu es oder hilf mir, damit Chloe am Leben bleibt.«
»Sie heißt Klo-e?« Makab stolperte über die Silben, ohne auch nur einmal den Blick abzuwenden.
»Ja.«
»Kommt ihr aus derselben ...?« Makab ließ die Frage offen.
»Nein. Sie stammt aus einem anderen Land und aus einer Zeit viele Jahre nach der meinen.«
»Nimmst du sie mit zurück?«
Cheftu seufzte und ließ die Hände sinken. »Ich weiß nicht, wie. Ich weiß nicht, ob das überhaupt möglich ist. Doch wenn sie der Schwesternschaft nicht entkommt, und zwar bald, dann wird es keine Chloe mehr geben und auch keine RaEm.«
Makab schob den Dolch in seinen Gürtel und setzte sich Cheftu gegenüber. »Weißt du, wo man sie gefangenhält?«
»Wirst du mir helfen?«
Makabs brauner, fester Blick verband sich mit seinem.
»Ja, mein Freund. Ich werde euch helfen, in eure Welt zurückzukehren, wenn ihr das wünscht. Wir brauchen einen Plan.«
Seufzend packte Cheftu Makabs Hand. Er spürte ein kurzes Zögern, dann wurde sein Griff erwidert. »Ich werde dir alles erzählen, was ich weiß.«
Hats Strafen und Drohungen immer noch in den Ohren, ließ sich Thut auf sein Ruhebett fallen. Sie würde nach Waset zurückkehren, aber mit dem nächsten Schiff wieder herkommen, sobald sie sich von den Fortschritten bei Senmuts Projekten überzeugt und sich als Erlöserin hatte feiern lassen, die der Welt Res Licht zurückgebracht hatte.
RaEm hatte Hat bei ihm gelassen. Die Schwesternschaft sandte eine Vertreterin, die RaEm in die westliche Wüste begleiten sollte, wo sie, wenn sie Glück hatte, auf der Stelle sterben würde. Wie das arme Mädchen, das ich umgebracht habe, dachte Thut bedrückt. Vollkommen sinnlos. Während mein Samen eben in ihr Wurzeln schlug und ihr jungfräuliches Blut noch auf meinen Lenden war. Vollkommen sinnlos. Es hatte nur ein Wort von Moshe an seinen Gott gebraucht, und schon waren Licht und Leben zurückgekehrt.
Moshe war also der Onkel, von dem er hatte flüstern hören. Den sein Vater zu hetzen gelobt hatte - vergeblich. In irgendeiner Nacht würden um Mitternacht die erstgeborenen Söhne sterben. Eine ganze Generation an Männern. Thut schloß die Augen und wünschte, er könnte die Gedanken
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