Die Prophetin von Luxor
würde. Nichts von Tod und Opfer. Zweifellos befand sich dieses Wissen dort, wo immer sich die wahre RaEm eben befinden mochte.
Hatten sie Plätze getauscht? Hatte RaEm jetzt Chloes Faktengedächtnis? Würde es ausreichen, um durchs zwanzigste Jahrhundert zu kommen? Nicht daß das einen Unterschied gemacht hätte. Chloe hatte keine Ahnung, wie sie in die Zukunft zurückkehren konnte, und sie war nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt wollte. O Cheftu, weinte sie. Was hatten sie mit ihm gemacht?
Würde sie ihn je wiedersehen?
Sie sank auf den Boden und faßte nach ihrer Halskette. Doch die war nicht mehr da, die lag zerrissen und zerschlagen vor den Soldaten auf dem Boden des Audienzsaales. Ach Cheftu, dachte sie. Bitte vergib mir! Ihretwegen würde man ihn verbannen. Dieses Land, das er so liebte und in das er eben erst zurückgekehrt war, für immer verlassen zu müssen!
Wieso hatte Thut ihn nicht in Schutz genommen? Weil es wahrscheinlich alle beide den Kopf gekostet hätte, wenn er zugegeben hätte, daß Cheftu ihm Treue gelobt hatte. Chloe vergrub den Kopf in den Händen und ließ ihren Tränen freien Lauf.
13. KAPITEL
Cheftu legte den Pinsel beiseite, mit dem er eben sein Gesinde und seine Besitztümer an Graf Makab überschrieben hatte. Makab wäre entsetzt über diese Wendung der Ereignisse. Er war nicht besonders klug in Gelddingen, doch er war gerecht und würde dafür sorgen, daß die Sklaven freigelassen würden und einen Lohn für ihre treuen Dienste erhielten.
Die Sonne fiel in einem breiten Streifen durch die offene Tür zum Garten. Das Licht strömte durch einen gläsernen Weinkrug neben Cheftu und überzog das Zimmer mit einem Honigwabenprisma an Rottönen. Wie Blut, dachte Cheftu trübsinnig.
Am Morgen hatte man den dünnen Leichnam einer Ägypterin bei ihm abgeliefert. Im Austausch für seine Frau, wie der Gardist erklärt hatte. Man hatte ihr das Gesicht bedeckt, doch ihr Anblick hatte Cheftu zutiefst getroffen. Er war ReShera nur wenige Male begegnet, soweit er wußte - die Frau hatte nicht den Eindruck erweckt, als würde sie sich etwas aus ihm machen. Der Leichnam hatte einen silbernen Ankh-Anhänger mit ReSheras Namen getragen, es mußte also sie gewesen sein, doch er war nicht völlig sicher. Ohne Chloes grüne Augen sah eine schwarzhaarige, braunhäutige Frau fast aus wie die andere.
Cheftu und Ehuru hatten sie in das örtliche Haus der Toten gebracht, um sicherzustellen, daß sie ein anständiges Begräbnis bekam.
Thut hatte gute Arbeit geleistet, sie schnell getötet und sie dann ausbluten lassen. Insgeheim erleichtert, daß es nicht Chloe getroffen hatte, hatte Cheftu den zierlichen Leib in ein Leinengewand gehüllt. Zumindest hatte es Chloe nicht erwischt.
RaEm. Chloe. Tränen schnürten ihm die Kehle zu. Was er empfand, ging weit über bloße Liebe hinaus. Chloe war die Frau, der er vertraute, die Frau, die er respektierte, die Frau, die seinem eigenen Ka entsprungen war. Die jetzt weiß Gott wo war.
Er widmete sich wieder seinem Brief. Er mußte ihre gemeinsamen Besitztümer zusammensuchen und eine Schiffspassage buchen, und dann mußte er Chloe finden und retten.
Ehuru trat in den Raum. »Herr, du hast einen Besucher.«
Cheftu sah ihn an. Ehuru war über Nacht gealtert. Nichts wünschte sich Cheftu im Moment weniger als Gesellschaft, doch es führte kein Weg daran vorbei. Er ließ ein geisterhaftes Lächeln aufscheinen. »Führ ihn herein.«
Makab trat in den Raum, in glänzendweißes Leinen gehüllt, doch mit abgezehrtem, verhärmtem Gesicht. Cheftu stand auf und streckte ihm beide Arme entgegen.
Makab umarmte ihn. »Leben, Gesundheit, Wohlergehen, mein Freund.«
»Dir ebenfalls. Bitte nimm Platz. Hast du gegessen?«
»Mir ist nicht nach ...« Makabs Stimme war leise. »Wie geht es meiner Schwester, Cheftu? Welche schwarze Magie geht hier vor?« Ehuru erschien in der Tür, und Cheftu bat um Wein und irgend etwas Eßbares aus der Küche für seinen Freund.
»Du weißt es also?«
Makab ließ sich in einen Stuhl sinken. »Was?«
»Wieso bist du hier?« fragte Cheftu in dem Versuch, seinen
Freund nicht zu verängstigen.
»Ich habe eine Depesche erhalten, daß RaEm Thut heiraten sollte, also habe ich mich auf die Reise gemacht. Erst sind uns auf dem Weg zum Fluß die Pferde gestorben. Wir mußten mehrere Tage lang zu Fuß gehen. Dann habe ich mehrere gute Gefolgsleute in einem Feuerhagel verloren. - Ich muß gestehen, so etwas habe ich noch nie gesehen! Wir haben
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