Die Prophetin von Luxor
näher, in der Hand seinen Bohrstab, mit dem er die festen Stellen auslotete. Seine von der Sonne gnadenlos gebräunte Haut verschmolz mit dem Schlamm, so daß er aussah wie ein Wesen aus der Unterwelt, das sich eben aus den Tiefen erhebt. Sehr langsam kam er ihrer reglosen Gestalt näher. Schließlich streckte er ihr den Stock hin. Erschöpft und geschlagen befreite sie mühsam die Arme aus der klebrigen Masse und packte den knorrigen Ast. Sie beobachtete, wie sich Cheftus Armmuskeln unter der Kraft anspannten, mit der er sie behutsam aus dem widerstrebenden Lehm zog. Als sie nur noch ein paar Ellen von ihm entfernt war, hielt er inne.
»Chloe ...« Seine Stimme klang tief und rauchig, und Chloe spürte, wie sich ihre eigene Feuchtigkeit mit dem Schlamm mischte. »Willst du wirklich, daß ich dir helfe?«
Keuchend vor Anstrengung, nickte sie.
»Gefällt dir, wie es sich anfühlt?« Seine Stimme war wie geschmolzene Butter ... dekadent und delikat. »Sag’s mir.« Seine
Augen waren dunkel, undurchdringlich, und um seinen Mund zogen sich scharfe Linien der Leidenschaft.
Sie keuchte. »Wie Schlamm ... was denkst du denn?«
Er zog eine Braue hoch. »Ich weiß, daß du mehr Phantasie hast. Wenn es ein glace wäre«, meinte er mit einem boshaften Grinsen, »welche Sorte wäre es dann?« Er zog sie näher. Die Masse war glatt wie eine Creme, sie liebkoste jeden Zentimeter ihres Körpers, sie saugte leicht an ihren Schenkeln, sie massierte und streichelte ihren Leib. »Sch-schokolade Cappuccino Extra«, stammelte sie.
»Was heißt Extra?«
»Sahniger, sämiger, sündiger als normales Eis«, murmelte sie und sah das Feuer in seinen Augen auflodern. »Es ist so süß, daß man glaubt, man stirbt, wenn man noch einen einzigen Löffel davon ißt, aber man kann einfach nicht widerstehen. Es ist ganz glatt auf der Zunge, und wenn es schmilzt, breitet sich der Geschmack im ganzen Mund aus -« Ihre Worte endeten in einem leisen Stöhnen, als sie seinen eisernen Griff an ihren Handgelenken spürte.
Seine Augen waren nur noch dünne Schlitze, als er sie zu sich herzog. Während sie sich so an ihn festklammerte und er mit ihr vorsichtig zurückwich, merkte sie erstaunt, wie weich und fest zugleich er sich anfühlte. Sie spürte jeden angespannten, schlammbedeckten Muskel, und sie blickte ihm fest in die Augen, um ihn zu lenken, während sie sich rückwärts fortbewegten: Sobald sie nur noch knietief im Schlamm standen, zog er sie auf die Füße.
»Bist du jetzt in Sicherheit?«
»Bin ich das?« Sie spürte seine Hände auf ihrem Rücken. »Ich bin aus einem bestimmten Grund hergekommen, Cheftu.«
Ohne einen einzigen Muskel zu bewegen, zog er sich von ihr zurück. Hinter seinen Augen ging eine Klappe zu, und plötzlich bekam sie Angst. Zu spät? Hatte er sich anders entschieden? »Ich möchte bleiben.«
Er blinzelte.
Sie fuhr mit ihrer schlammigen Hand über seinen glitschigen Rumpf. »Bei dir. Wo du auch bist. In welcher Zeit auch immer. Ich gehöre dir.« Sie begann sich zu fragen, ob ihn der Schlag getroffen hatte, denn immer noch stand er wie angewurzelt vor ihr und blinzelte. »Atmest du noch?« fragte sie schließlich.
Er küßte sie mit aller Kraft. Energie, Wut und Leidenschaft, allzulange gezügelt, brachen sich freie Bahn. Unbeholfen und ungestüm stolperte er mit ihr ans schlammige Ufer. Eng an sie gedrückt, küßte er ihre Stirn und raunte Liebesworte in ihr Ohr. Erst nach mehreren Minuten begriff sie, daß er weinte.
Der Schlamm trocknete in der Hitze, wurde fest und klebrig wie Paste. Lachend und weinend kämpften sie sich aus dem Morast frei. Cheftus starke Arme hielten Chloe fest an seiner Seite. Hand in Hand stiegen sie die Klippe hinunter und liefen an den Ozean, wo sie wie Kinder lachend im flachen Wasser tollten, sich gegenseitig naßspritzten und mit bloßen Händen Elritzen zu fangen versuchten. Erst als die Sonne tief über dem Horizont stand, kamen sie wieder an Land und legten sich an den Strand, um sich von der letzten Tageswärme trocknen zu lassen.
Cheftu kochte die Eier, die sie bei Anbruch der Nacht mit dem übriggebliebenen Brot aßen. Er drückte Chloe an sich, und solchermaßen verbunden verharrten sie in den allmählich abflauenden Wellen, bis die Intensität der Stille beiden zuviel wurde und sie voller Kraft vollendeten, was so ruhig begonnen hatte.
Wie Perlen an einer langen Kette reihten sich die Tage aneinander. Jeder war anders, jeder war einzigartig, und alle zusammen ergaben
Weitere Kostenlose Bücher