Die Prophetin von Luxor
Seele. Als die Drähte schließlich aufsprangen und Chloe erlöst wurde, blickte sie in seine Augen, spürte, wie seine Hoffnungslosigkeit auf ihre traf, spürte, wie sie verschmolzen und eins wurden. Gerade als sie glaubte, es sei vorüber, trieb Cheftu sie ins Delirium. »Komm mit mir!«
Wogen der Sinneslust wuschen über sie hinweg und durchfluteten ihren dicht an Cheftu gepreßten Körper. Mit einem letzten Aufstöhnen sackte er über seinen angewinkelten, flatternden Beinen zusammen. Dann fiel er neben ihr aufs Bett und kämmte ihr das schweißverklebte Haar aus dem Gesicht, während ihr Atem allmählich wieder ruhiger ging.
Die Verlegenheit kehrte zurück.
Cheftu löste sich als erster. »Ich muß in die Schlammgrube«, sagte er und faßte nach seinem Schurz. »In ein paar Tagen haben wir ein Lehmziegelhaus.«
Chloe wollte ihn zurückhalten, ihn foppen und mit ihm lachen doch er hatte sich bereits von ihr zurückgezogen, als wäre ihm ihre Nähe peinlich. Die zerlumpten Überreste ihres Kleides festschnürend, taumelte sie ihm hinterher. Er packte seinen Medizinbeutel, hielt im gleichen Moment inne und holte eine Handvoll Samen heraus.
»Was ist das?« fragte Chloe.
Seine Haut rötete sich, und sein Blick ging an ihr vorbei. »Gemeines Steckenkraut. Ein Verhütungsmittel; damit du kein Kind von mir bekommst.« Seine Miene war todernst. »Ich möchte nicht, daß du mit der Schande eines Babys in deinem Bauch in deine Zeit zurückkehrst. Schluck einen, nachdem ... nachdem ...« Er holte tief Luft und richtete seinen Blick lange, schweigend auf einen Punkt hinter ihr. »Damit dürfte dir nichts passieren. Paß auf, daß du sie mit viel Flüssigkeit und nach dem Essen nimmst.«
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihm zu erklären, daß sie nicht zurück wollte. Statt dessen stand sie stumm da und sah ihn fortgehen, die Klippe hinauf, während sie allein unter der blauen Kuppel des Himmels zurückblieb.
Sie nahm die Samen und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Wie war es nur möglich, daß sie soviel gemeinsam durchgestanden hatten und nun, wo alles vorbei war, nicht mehr zueinanderfanden? Früher war immer ihre Großmutter Mimi ihr Anker gewesen . die Leine an ihrem Drachen, an der sie sicher fliegen und alles erforschen und frei sein konnte, ohne daß sie Angst haben mußte, verlorenzugehen. Nach Mimis Tod hatte Chloe das Gefühl gehabt, diese Leine sei gekappt. Niemand war ihr näher gewesen, hatte sie besser gekannt, hatte sie so vollkommen akzeptiert.
Als sie ins alte Ägypten katapultiert worden war, hatte Mimis Tod plötzlich einen Sinn bekommen. Mimi war das letzte Band gewesen, das sie in ihrer Zeit gehalten hatte. Sie liebte Cammy, aber dieser Verlust war längst nicht so groß. Sie wußte, daß Cammy sich vor Schuld zermarterte, und sie hätte ihre Schwester gern erlöst, konnte es aber nicht. Ihre Eltern würden überleben, solange sie nur einander hatten. Sie würden verstehen. Hier hatte sie die Liebe entdeckt. Sie war chaotisch und schmerzhaft, doch trotz allem Schmutz, trotz der Tränen, trotz dem Sex und dem Blut war mir klar, daß dies das wahre Leben war. Es ging nicht darum, andere zu beobachten und aufzuzeichnen, wie sie handelten, wie sie sich kleideten, wo sie lebten, sondern darum, selbst zu leben und zu handeln und sich zu kleiden und zu lieben.
Sie war lebendig, lebendig wie noch nie.
Wieso sollte sie in ein Leben von Micky-Maus, McDonald’s und Maschinengewehren zurückkehren, wo sie nur Zuschauerin war? Hier gab es Cheftu; er liebte sie, sie liebte ihn. Ihr ganzes Leben, all ihre Erfahrungen hatten sie auf genau diese Liebe vorbereitet.
Sie stand auf. Er wollte eine Gefährtin, die für alle Zeiten bei ihm blieb.
Wie sie.
Die Sonne versengte seinen Leib, während Cheftu den nächsten Lehmziegel zur Seite legte. Seine Bestände erstreckten sich mittlerweile von der Ostseite der Schlammgrube bis hinüber zu dem Windschutz, hinter dem die wirkliche Wüste begann - alles in allem an die hundert Lehmziegel. Er spürte ein Prickeln auf der Haut und wirbelte herum, um die Bäume hinter ihm abzusuchen. Er konnte hören, wie sich am Schlammloch jemand bewegte.
Ganz leise legte er seinen Lehmziegel ab, packte seinen Dolch und kroch verstohlen zwischen den Bäumen hindurch. Thief lag seelenruhig da, also entspannte Cheftu sich und ließ den Blick wandern; nur zweimal hielt er inne, um den Schweiß abzuwischen, der ihm in die Augen tropfte. Offenbar war alles unberührt. Er kehrte zu
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