Die Prophetin von Luxor
sich auf die Lippe und senkte die Lider.
»Doch an dieses Dorf und diese Früchte erinnere ich mich ganz deutlich. Der Fund war so aufsehenerregend, weil er aus der Zeit Thutmosis’ stammte, aber nicht zweidimensional war wie alle bis dahin bekannten altägyptischen Zeichnungen. Camille hat mir erzählt, es wären alles in allem etwa fünfzig Zeichnungen, aber sie hätten noch nicht alle ausgerollt.«
Cheftu und Imhotep schienen nichts mehr zu verstehen. Für vieles, was sie eben erklärt hatte, gab es keine direkte Übersetzung, doch offenbar hatten beide den Eindruck, daß sie wußte, wovon sie sprach.
»Wo hat man sie gefunden?« fragte Imhotep.
Chloe blickte auf die Karte aus Wasser und Öl. »In der östlichen Wüste vor Luxor ... Waset.«
»In Hatschepsuts geheimer Kammer«, sagte Cheftu.
»Was?«
»Asst! Sie hat sie bauen lassen, damit sie und Senmut bis in alle Ewigkeit als Mann und Frau zusammenbleiben können -was einem Pharao verboten ist, allerdings nicht, wenn er es geheimhält!« Plötzlich schien sich für ihn alles aufzuklären. »Bestimmt wird man sie dort finden! Hat hat gesagt, sie hätte den Ort gewählt, weil das Land dort so öde sei. Es gibt in der Gegend überhaupt nichts!«
Imhotep blickte von einem zur anderen. »Ihr müßt sie dahin bringen«, sagte er mit einer Geste zu dem Papyrusberg hin. »Wenn ihr alle mitnehmt, sind das ungefähr vierzig Rollen. Was ist darauf dargestellt?« fragte er. »Werden Früchte und Bäume in der Zukunft so wichtig sein?«
Chloe runzelte die Stirn. Damit hatte er recht; was sollte damit bezweckt werden?
Cheftu begann, die Zeichnungen durchzuschauen.
Die Blutplage, mehrere von den verschiedenen Stadien der Heuschreckenplage, eine Straße in Avaris während des Hagels, der Hausgang voller kranker Diener, eine Wiedergabe aus der Erinnerung von dem Treffen zwischen Hat und Moses, als die Sonne sich auf Gottes Befehl hin wieder zeigte. »Das sind nur Illustrationen für die Bibel«, meinte Cheftu. »Interessant, aber kaum die komplexen Sprünge von Raum und Zeit wert, die wir durchlebt haben.«
Chloe wanderte im Zimmer auf und ab. »Richtig, nur Illustrationen. Jeder kennt die Geschichte«, meinte sie, doch dann blieb sie stehen. »Aber sie glauben nicht daran!«
Cheftu schaute zweifelnd auf. »Sie glauben nicht an die Bibel?«
»Nein. Ich auch nicht, bevor«, sie hielt inne, »vor all dem. Du etwa?«
»Natürlich. Warum sollten die Juden ihre Existenz als Volk lediglich auf einer zusammengesponnenen Geschichte begründen?« fragte Cheftu. »Es ist schon reichlich demütigend, zuzugeben, daß sie Sklaven waren, doch dann auch noch die Wüste? Daß sie so oft ungehorsam waren und dafür von Gott bestraft wurden? Wieso sollte sich jemand so etwas ausdenken?«
»Richtig.« Imhotep lachte. »Man wird nie lesen, daß die Ägypter eine Schlacht verloren hätten oder daß ein Pharao seine Pflichten nicht erfüllt hat.«
»Das ist es!« rief Chloe aus. »Es gibt keinen anderen gültigen Beweis für die Existenz Israels oder das Passahfest oder auch dafür, wer damals Pharao war! Sogar meine Schwester glaubt, daß es, wenn überhaupt, Ramses der Große gewesen sein muß. Dies ist der Beweis! Nüchterne, harte Fakten auf dem Papier aus der richtigen geschichtlichen Periode.« Sie setzte sich und blätterte hastig in den Zeichnungen. Eine ganze Reihe davon hatte Alemelek in ägyptischer Manier gefertigt - und auf einer davon war tatsächlich Ramoses’ Geschichte dargestellt! Mit zitternder Hand reichte sie Cheftu und Imhotep den Papyrus, die sich gemeinsam darüber beugten und ihn eilig durchlasen.
Chloe setzte sich. Das war verdammt noch mal unglaublich!
Sie begann zu zittern. Sie waren dafür verantwortlich, daß die Rollen in das Grab gelangten. Um danach in ihr eigenes Leben zurückzukehren? Jetzt, nachdem das Rätsel gelöst war, wurde es still im Raum.
Cheftu lachte verwundert. »Und Alemelek hatte sich so davor gefürchtet, daß Gott keine Verwendung für ihn haben könnte. Er hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil er geheiratet und keine Beichte abgelegt hatte. Als er starb, wäre ich vor Schreck fast gestorben, als ich ihn lateinisch beten hörte. Wir haben kaum ein Wort miteinander gewechselt, er war todkrank. Er hat mich gebeten, ihm die Letzte Ölung zu geben, und ich habe seine Bitte erfüllt wenn auch kläglich. Dann ließ er mich bei der Hostie schwören daß ich ihm ein christliches Begräbnis zukommen lassen würde.«
»Und
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