Die Prophetin von Luxor
sich Imhotep. »Möge euer Gott euch führen und beschützen.«
Dann waren sie fort, schlichen von Schatten zu Schatten, suchten sich einen Weg bis ans andere Ende der Oase. Sie bewegten sich durch die Tageshitze, in der der Wind im Wadi sie wenigstens etwas kühlte. Imhotep hatte sie gewarnt, daß die Zeit der Überschwemmungen gekommen war, deshalb hielten sie sich stets am Rand des Wadis. Jedes Geräusch konnte eine riesige Wasserwoge ankündigen, die sie unvermittelt unter sich begraben würde.
»Wieso sollen wir uns als Bruder und Schwester ausgeben?« fragte Chloe im Atmu.
Cheftu seufzte; er ritt zwar auf dem Esel, um sein Bein zu entlasten, doch er war immer noch geschwächt. »Zu unserem Schutz. Als dein Bruder kann ich Rache fordern, wenn dir jemand etwas antut. Entweder wurde dadurch dem Ansehen oder der Zukunft meiner Familie Schaden zugefügt, oder man hat meine Ahnen beleidigt.« Er stöhnte und rutschte auf dem grauen Tier herum. »Bin ich dein Ehemann, wird man mir bedauerlicherweise nur zu nahe treten. Ich habe kein weiteres Anrecht auf dich.«
»Es ist also besser, wenn du mein Bruder und nicht mein Ehemann bist?«
»Absolument.«
»Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Wieso nicht?« fragte Cheftu. »Trägt dein Bruder nicht die Verantwortung für den Namen eurer Familie? Makab tut das.«
»Da mein einziger Bruder das schwarze Schaf in unserer Familie ist und sein Name seit Jahren tabu ist, obliegt es mir und Cammy, unseren Namen >weiterzugeben<. Cammy ist oder war mit ihrer Liebe zur Archäologie Mom so ähnlich, daß es nie einen Zweifel daran gab, daß sie in ihre Fußstapfen treten würde«, sagte Chloe. »Aus demselben Grund bin ich, wie Vater, zum Militär gegangen. Es gibt eine lange militärische Tradition bei den Bennets und Kingsleys - über Generationen hinweg. Jemand mußte unser Erbe pflegen - und Gaius kam dafür nicht in Frage -, also blieb es an mir hängen.«
»Du hast einen Bruder, der Gaius heißt?«
»Meine Mutter hat wirklich eine Schwäche für Geschichte. Wenigstens heißt er nicht Caligula.«
Er lachte kurz. »Du bist also tatsächlich eine Frau aus der Zukunft. Damit ergibt alles Sinn.«
Chloe wischte sich den Schweiß aus den Augen.
»Eine eigenwillige Art der Rebellion?«
»Es gibt so vieles, was ich von dir nicht weiß«, murmelte er, »daß ich gar nicht weiß, wo ich mit dem Fragen anfangen soll.«
Es war dunkel. Nachdem sie damit beschäftigt gewesen waren, ein Lager aufzuschlagen, etwas zu essen und den Esel zu füttern, lehnten sie aneinander, Cheftu mit ausgestrecktem Bein.
Das Lärmen des kleinen grauen Reittiers weckte Cheftu, der blitzartig hochschoß, das Messer dicht am Körper. Mit einem Satz kam ein knurrendes Tier aus der Dunkelheit auf sie zugeflogen und landete neben Chloe. Cheftu, das gezückte Messer zum Zustechen bereit, erkannte Thief gerade noch rechtzeitig. Er humpelte zu dem Esel hinüber, der ängstlich die Augen rollend an seiner Leine riß, und versuchte, ihn zu beruhigen. Bis dahin hatte Chloe den jungen Löwen überzeugt, von ihrem Bauch herunterzugehen, und er schnüffelte bereits an den vom Abendessen übriggebliebenen Knochen.
Cheftu fuhr sich mit der Hand über das von Mücken zerstochene Gesicht. Schon konnte er das hellere Blau der Morgendämmerung heraufziehen sehen. Sie hatten einen derartigen Lärm veranstaltet, daß er jeden Moment damit rechnete, in einem Pfeilhagel zu stehen. Thief stieß gegen sein Bein, und er stöhnte unter den hindurchschießenden Schmerzen. Bunte Punkte tanzten vor seinen Augen, und er stellte überrascht fest, daß er wieder saß. Thief, der eine ordentliche Rüge kassiert hatte, diente ihm als Kissen. Chloe reichte Cheftu Wasser und Datteln. Die Parfümierung wie er annahm.
»Und jetzt?« fragte sie.
»Gehen wir.«
»Gut.«
Sie standen auf, Cheftu mit schmerzverzerrtem Gesicht.
»Muß das neu verbunden werden?«
»Nein. Paß nur auf, daß diese Riesenkatze nicht wieder hinkommt. In Ordnung?«
FÜNFTER TEIL
18. KAPITEL
Der Mond stand als Sichel über ihnen, und Chloe mummelte sich bibbernd fester in ihren Umhang. Thief trieb sich irgendwo in den Dünen herum, und Cheftu malte aus dem Gedächtnis die Landkarte in den Sand. Wie er so in den Himmel blickte, war er der Fleisch gewordene Traum jeder Frau: die schlanken, muskulösen Umrisse seines Leibes von silbrigem Licht umflossen, während die langen Wimpern eckige Schatten über seine Wangenknochen legten. Sein Haar war zwar lang und zu
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