Die Prophetin von Luxor
Kopf in die Hände sinken. Solange niemand den Priestern und Adligen bezeugte, daß Hatschepsut tot war, mußte er in ihrem Namen regieren. Diese Trottel warteten noch immer, genau wie die Familien der Soldaten, auf eine Nachricht, wohin sie die Israeliten gejagt hatten. Es war unvorstellbar, daß so viele Menschen einfach verschwinden konnten - ohne eine Spur zu hinterlassen.
Unvorstellbar, genau wie die zurückliegenden Monate. Ipu-wers Worte kamen ihm in den Sinn: Alles Lügen hat nichts gebracht ... Plagen suchen Ägypten heim, der Nil ist Blut.
Fünf Jahre würde es dauern, ehe er Thutmosis III., ewig möge er leben!, wäre und die Doppelkrone tragen konnte, die er schon so lange ersehnte. Fünf Jahre, bis er die Macht hätte, dieses blutende, niedergeknüppelte Land zu heilen. Sehnsucht ergriff ihn.
Seine Götter waren tot, doch ein Gott lebte weiter ... und triumphierte. Ohne daß er es wollte, kam ihm ein Gebet über die Lippen: »Laß mich nur regieren . ein würdiger Pharao sein . mein Volk wieder aufrichten . bitte.«
Mein Bein! Mit einem Schreck wachte Chloe auf. Wo ist es? Es ist weg! Sie wollte es bewegen, doch es war taub, abgestorben. Die Angst ließ sie endgültig wach werden. Dann erkannte sie den Grund für ihre Panik und atmete so tief aus, daß Cheftu ebenfalls wach wurde. Thief hatte sich auf ihren Beinen zusammengerollt, so wie er es als kleiner Löwe getan hatte. Doch im Gegensatz zu ihnen beiden hatte er in den zurückliegenden Monaten an Gewicht und Größe zugelegt, und seine Muskeln und Knochen drückten ihr die Blutzufuhr ab.
Nachdem Cheftu zu lachen aufgehört hatte und ihr endlich zu Hilfe kam, schafften sie es mit vereinten Kräften, Thief trotz seines Protestknurrens hinunterzuschubsen. »Eine zu groß gewordene Hauskatze?« fragte sie Cheftu keuchend, als sie endlich freigekommen war. Er lächelte und schüttelte den Kopf.
Chloe öffnete ihr Samenpäckchen und nahm mit einem Schluck Wasser aus ihrem Schlauch ein Samenkorn. »Zum Glück gibt uns diese Klippe Schatten«, sagte sie. »Re straft uns heute morgen.«
»Ja.« Er nahm ebenfalls einen Schluck Wasser.
Der Gedanke kam ihnen beiden gleichzeitig.
Dies war auf viele Henti die einzige Felsklippe.
Ein natürliches Wahrzeichen.
Als sie den Eingang schließlich entdeckten, ging die Sonne bereits wieder unter. Man hatte einen tiefen Brunnen in den Boden gebohrt, und nach einigen Fingerspitzenarbeiten hatten sie ihre Schläuche mit frischem Wasser gefüllt und den Sand notdürftig abgewaschen. Nachdem sie lange um den Felsen herumgegangen waren und fast jeden Stein abgesucht hatten, entdeckten sie endlich die Stufen. Während sie mit bloßen Händen den Sand beiseite schaufelten, konnte Chloe endlich die alles überstrahlende Spannung nachfühlen, wenn man im Begriff war, eine unglaubliche Entdeckung zu machen. Kein Wunder, daß Cammy ihre Arbeit so liebte!
Die Stufen führten unter den Felsen und bildeten zum Schluß so etwas wie eine in die Mauer gehauene Leiter. Der Durchgang war schmal, und Cheftu schnaufte schwer, weil er sich beim Durchzwängen die Schultern aufschürfte. Sobald sie unten angekommen waren, zündeten sie Fackeln an. Sie befanden sich in einer schmucklosen, dunklen Kammer mit niedriger Decke. Halb kauernd schwenkten sie die Fackeln herum, um den anderen Ausgang zu entdecken. Sie suchten den Boden und die Wände ab.
Chloe rief Cheftu zu sich her, und gemeinsam blickten sie auf eine unauffällig in die Wand gemeißelte Leiter, die durch einen kleinen Spalt in der Decke nach oben führte. Chloe kletterte voran und war plötzlich dankbar für den Gewichtsverlust, der es weniger schmerzhaft für sie machte, sich durch den Spalt zu quetschen. Sie nahm Cheftu die Fackel ab und hielt sie hoch. »Cheftu!« entfuhr es ihr.
»Was? Was siehst du?«
Und dann sagte sie, wie bereits ein Entdecker vor ihr: »Gold. Alles glänzt golden.«
Nachdem sie den Durchstieg in der Decke etwas größer geschlagen hatte, schaffte es auch Cheftu nach oben. So saßen sie nebeneinander, sprachlos angesichts dieses Anblicks. Ein paar weitere Fackeln zeigten ihnen, daß sie sich in einem langen Gang befanden: dem Gang durch das Grab eines großen Pharaos.
Allerdings war er nicht vollendet, so als wäre er nicht für eine baldige Nutzung gedacht. Die Wände waren verputzt, aber nur zur Hälfte bemalt. Der Himmel, der sich über die gesamte Decke erstreckte, war blau gemalt, doch goldene Sterne waren erst in einer Ecke zu sehen. In
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