Die Prophetin von Luxor
zurück. Er sah ihr müde lächelnd ins Gesicht. Dann verlor seine Miene jede Ironie und in seinen Augen glomm Liebe auf. »Am liebsten würde ich mit aller Gewalt Abstand von dir halten«, raunte er. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, von dir getrennt zu werden.« Er schluckte und blickte auf ihre Lippen. »Doch wenn wir für alle Zeit getrennt werden sollen, dann möchte ich wenigstens jetzt leben.«
Chloe fuhr die Züge seines Gesichts nach und hielt unwillkürlich die Luft an, als er sehnsüchtig die Augen schloß. Er zog sie an sich, bis sie den Körper unter seinem Schurz spürte und die Erde und Sonne in seiner Haut roch. Er packte ihre Hand und hielt sie fest. »Habe ich dir je gesagt, wie schön ich dich finde?«
»Nie«, behauptete Chloe. »Das hast du mir nie gesagt.«
»Was für ein Narr ich war.« Die Finger, die er über ihr Gesicht führte, zitterten, und seine Stimme klang plötzlich belegt. »Ich glaube, die Schönheit deines Ka übertrifft die Perfektion deines Gesichts und deiner Gestalt bei weitem. Ich liebe es, wie du die Schultern durchstreckst, bevor du dich einer Aufgabe stellst. Dein Mut überwiegt bei weitem die Weichheit deiner Haut und den sanften Klang deiner Stimme; als sie dich hinter dem Streitwagen herlaufen ließen, habe ich tagelang geweint, auch wenn ich keine Tränen hatte.
Die Nächte, in denen du mit einem Messer an deiner Kehle schlafen mußtest, ohne daß du dich je wirklich davon hättest einschüchtern lassen.«
Er blickte zum Himmel auf und sprach zu dem unbekannten Gott, an den er glaubte.
»Ich danke dir für diese Frau! Ihr Geist hält mich, ihr Herz heilt mich! Danke, daß du sie mir gegeben hast, selbst wenn es nur für kurze Zeit sein soll.«
Er räusperte sich, drückte sie wieder an seine Brust und fuhr, eingetaucht in diesig-silbriges Licht, mit den Händen ihren
Rücken auf und ab.
»Bitte vergib mir, daß ich auch nur einen kostbaren Augenblick vergeudet habe«, flüsterte er in ihre Schulter.
Er hielt sie von sich weg, blickte in ihr Gesicht, und dann sprudelten die Worte nur so aus seinem Mund. »Je t’aime, Chloe. Du hast mir so gefehlt. Du bist meine Gefährtin.« Er küßte ihre Hände, und sie spürte verwundert Nässe auf seinem Gesicht.
»Du erregst meinen Körper, meinen Geist regst du an. Aus deinen Augen leuchten ein Leben und eine Lebensfreude, die mich jeden Tag voller Freude wach werden lassen.«
Er fuhr mit den Fingern über ihre Lippen.
»Von hier nehme ich den Atem, der meinen Leib und meine Seele am Leben erhält. Ich kann ohne Essen leben, ohne Wasser überdauern, doch allein deine Küsse und Worte verleihen meinem Leben Farbe und Geschmack. Die vergangenen Wochen waren kalt und fad.«
Er senkte den Kopf und lockte durch Lippen, Zunge, Hände ihr Herz in seinen Körper.
»Du hältst mein Herz, chérie«, hauchte er.
Chloe war verblüfft, wie sehr sie ihn begehrte, schmutzig und erschöpft, wie sie beide waren.
»Je t’aime, Chloe. Je t’adore«, flüsterte er immer wieder, während seine Hände unter ihrem sackförmigen Gewand nach ihrem Körper tasteten. Trunken vor Adrenalin und aufeinander gierig nach diesen Wochen der Enthaltsamkeit hob er sie auf seine Arme und taumelte mit ihr in den Schatten einer Sandsteinklippe. Hektisch zerrten sie einander die Kleider vom Leib, murmelten sich Koseworte zu und spendeten einander neues Leben, stellten und beantworteten sie mit ihren Körpern uralte Fragen und verbanden ihre Herzen und Seelen mit jedem geflüsterten Wort, jedem leidenschaftlichen Geständnis ein wenig mehr.
Thief hielt währenddessen im Mondschein Wache, hoch oben am Rand der Klippe, den pelzigen Hintern fest auf eine unauffällig in den Stein geritzte Kartusche gedrückt.
WASET
Kochend vor Wut marschierte Thut in dem stillen Raum auf und ab. Wieso hatten sie kein Geld mehr? »Was ist mit den Priestern Amun-Res?« fragte er. »Meine Tante hat ihnen genug zukommen lassen. Bestimmt können sie etwas für Ägyptens Schutz spenden?«
Ipuwer, sein neuester Berater, erhob, um den neuen Pharao milde zu stimmen, den dürren Arm, bevor er sprach. Thut knurrte seine Zustimmung. Ipuwer war ein Wiesel, aber er arbeitete genau.
Aus Thuts Augen funkelte der Zorn; als der Wüstengott ihnen alle erstgeborenen Söhne geraubt hatte, hatte er Ägypten damit für Generationen verkrüppelt. Die Erstgeborenen waren jene, für deren Ausbildung die Eltern keine Kosten gescheut hatten. Sie waren die Klügsten, weil sie die meiste
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