Die Prophetin von Luxor
du.«
ReShera ging mit keiner Silbe darauf ein, sondern setzte ihre Haßtirade fort: »Du bist schuld!« zeterte sie. »An Bashas Tod und an der Zerstörung Äyptens! Wir haben eine starke Frau auf dem Thron gebraucht, doch du hast hinter ihrem Rücken gegen sie gearbeitet und ihren Sturz geplant, um einen Mann auf den Thron zu setzen.« Sie sprach voller Gift und Herablassung. »Dann hast du zwei Sechmet-Wachen ermordet und bist eine unheilige Verbindung mit diesem Mann eingegangen.«
»Welchem Mann?«
»Dem Magus.«
»Wieso hast du mir mein Kind geraubt?« fragte Chloe ganz ruhig.
ReShera trat vor sie hin. Ihr Lächeln war giftig, gehässig und exquisit.
»Das habe ich für meinen Bruder Phaemon getan.«
»Phaemon? Dein Bruder?«
Das Gesicht aus ihren Alpträumen blitzte vor ihr auf. Ein Mann, dessen Blick sich von Leidenschaft zu Entsetzen wandelte, als eine Klinge in seinen Bauch gestoßen wurde. Chloe meinte fast zu spüren, wie das warme Blut über ihre Hände lief. Der Geruch ... bei den Göttern! Sie sah ReShera ins Gesicht. Dieselben Wangenknochen und weiten, geschwungenen Brauen. Das Gegenstück zu seinem perfekten Antlitz.
»Ganz recht, Phaemon, der Soldat, den du während einer deiner widerwärtigen Orgien mit Nesbek verführt hast. Du hast ihn umgebracht. Du hast ihn in jener Nacht so vollkommen ausgelöscht, daß er niemals im Westen wandeln wird!«
ReSheras Stimme klang tränenerstickt, beinahe mitleidig. »Also war es nur gerecht, daß auch du jemanden verlierst.«
Überwältigt von dieser Enthüllung, schüttelte Chloe den Kopf, als wollte sie ihn dadurch klar bekommen. Wenn sie nicht bald handelte, hätte sie keine Chance mehr, ReShera zu
übertölpeln. »Wann?« fragte sie ReShera.
»Wann? In jener Nacht, als er sich hier in Waset in Hathors Kammer mit dir getroffen hat! An dem dir zugewiesenen Platz; doch du in deiner Verkommenheit hast dein Amt und deine Göttin befleckt, indem du kopuliert hast, während du hättest beten sollen! Du trägst die Schuld daran, daß der Wüstengott gewonnen hat! Du hast Amun-Re geschwächt! Mir bleibt nur der kleine Trost, daß auch Phaemon dich verletzt hat, denn danach warst du tagelang krank.«
Chloe stand wie unter Schock. Die Nacht, als sie durchgekommen war - das Rot an ihren Händen, der vertraute, scharfe Geruch, den sie schon damals mit Angst in Verbindung gebracht hatte. Sie war in Blut gebadet gewesen! Hatte RaEm den Soldaten getötet, bevor sie mit Chloe Platz getauscht hatte? In der Annahme, daß sie gleich wechseln würden? Wo war dann die Waffe? Die Leiche? Wenn RaEm als Chloe in die Zukunft gereist war, wo war dann der vermißte Soldat? War er, oder eher sein Leichnam, ebenfalls in die Zukunft gereist? Er war ReSheras Zwilling ... und am dreiundzwanzigsten Tag des Phamenoth geboren. War es möglich?
»Und weil du Phaemon den Tod zugedacht hast, sollst du ebenfalls nie im Westen wandeln! Ich werde dir die Augen herausreißen! Deine Glieder abtrennen! Das Gesicht und den Leib, der dir so teuer ist, mit Narben verunstalten! Ich werde dein Blut trinken und dein Herz verzehren! Weißt du, was ich mit dem Sitz deiner Wollust anfangen werde? Jenem Abgrund, der dich so weit vom Wege abgeführt hat ...?«
ReShera blieb dicht vor Chloes Gesicht stehen und beschrieb mit teuflischem Vergnügen die Zukunft, die RaEm erwartete, doch Chloe kümmerte sich nicht um das Vitriol, mit dem diese Frau sie überschüttete, und scherte sich nicht um den Speichel, der auf ihren Haaren und in ihrem Gesicht landete. ReShera hatte ein Messer in ihrem Gürtel, weiter nichts, und sie war so zornig, daß sie Chloe kaum beachtete.
Chloe machte einen Satz, packte den perfekten kleinen Körper und zog den Dolch aus der Schärpe ihrer Gegnerin. Sie preßte ihn gegen ReSheras Hals und rief den Wachen zu: »Ihr habt gehört, was diese Priesterin mir alles vorwirft. Ich würde an eurer Stelle nicht wagen, einen Schritt näher zu kommen, um diese Frau zu verteidigen.« Sie drehte den Arm ihrer Geisel auf deren Rücken und hielt die Messerspitze an ReSheras Kehlkopf. »Vorsicht. Wenn diese Geschichte tatsächlich wahr ist und ich den Bruder einer Mitpriesterin getötet habe, mit dem ich meinen Körper geteilt habe, und das in der Silbernen Kammer, in der gefährlichsten Nacht des Jahres, zu welchen anderen Gottlosigkeiten wäre ich dann noch in der Lage?«
Chloe grinste und hoffte, daß sie dabei wenigstens halb verrückt aussah.
»Laßt die Waffen fallen.« Sie taten
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