Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
Vom Netzwerk:
»Möchtest du, daß ich dich anflehe?« fragte er abrupt.
    Verwirrt sah Chloe ihn an. Was war mit dem fröhlichen Fremdenführer von eben geschehen? Sie weigerte sich, vor seinem düsteren Blick zurückzuweichen, und so starrten sie einander schweigend an. Cheftus Stimme klang nun abgespannt. »Ich habe Papyrus dabei; ich würde es gern wissen. Ich glaube, das bist du mir, unserer Familie und unseren Gästen schuldig.«
    Chloe zuckte halbherzig mit den Achseln und verfluchte RaEm für ihre bruchstückhafte Erinnerung. Cheftus Augen glitzerten im Fackelschein, und seine Lippen schmolzen zu einem dünnen Strich zusammen. Sie zuckte erneut mit den Achseln, und ihr Gesicht zeigte den internationalen Ausdruck des Nichtverstehens. Offenbar überzeugte ihn das.
    »Wie du meinst, Herrin RaEmhetepet -« Er spie ihren Namen aus. »Ich hatte gehofft, daß wir, nachdem wir uns seit so vielen Überschwemmungen nicht mehr gesehen haben, wenigstens freundlichen Umgang miteinander haben und eine ordentliche Arzt-Patient-Beziehung aufbauen könnten, wenn wir erst die Fragen der Vergangenheit geklärt hätten, doch ich sehe, daß sich zwar dein Aussehen, aber nicht dein Wesen geändert hat. Ich werde dich kein zweites Mal fragen. Ich kann nur nicht begreifen -« Er verstummte, wandte sich ab und stapfte durch die bezaubernden Gärten davon, durch die sie eben gemeinsam geschlendert waren. Chloe mußte ihre Röcke raffen und ihm hinterher laufen, wenn sie ihn nicht aus dem Blick verlieren wollte. Sobald sie im Patio angekommen waren, verneigte sich Cheftu kalt und überließ sie der Obhut einer jungen Sklavin.
    Chloe folgte ihr durch die Räume und sank dann auf ihr Bett; in ihrem Kopf drehte sich alles, und im Magen meldete sich die vertraute Übelkeit. Man half ihr in ein Nachthemd, dann machte sie sich auf die Suche nach einem Nachttopf. Sie verfluchte Cheftu - ihr noch mehr Ärger zu machen, dachte sie, während sie ihren Magen leerte. Danach taumelte sie zu ihrem Bett zurück.
    Sie wurde von einer sanften Hand auf ihrer Schulter geweckt. Nebjet half ihr beim Anziehen, und Chloe nahm ein Päckchen mit Brot und Obst entgegen. Als sie auf dem Bootssteg eintraf, wartete Cheftu bereits auf sie, in einen schlichten Schurz und Weidensandalen gekleidet und mit einem Umhang über den breiten Schultern. Er grüßte sie mit einem knappen Nicken und überwachte dann weiter das Beladen des Schiffes. Auf seinem Rücken trug er einen Köcher mit Pfeilen, und in seiner Flachsschärpe steckte ein Bogen. Sie ging an Bord und war eingeschlafen, kaum daß sie sich hingelegt hatte.
    Am nächsten Tag manövrierten die Ruderer sie durch die Stromschnellen des Nils, und die Passagiere verfolgten schweigend, wie das Boot die Kurven und Windungen nahm, dirigiert vom Kapitän und kontrolliert von den Männern am Ruder.
    Bald darauf passierten sie Abdo, wo die Kais voller Menschen waren, die Schiffe be- und entluden. Aus dem Schatten ihres Zeltes heraus beobachtete sie, wie die Rekkit vor der königlichen Standarte am Boot salutierten. Die Menschen fielen
    zu Boden und riefen: »Heil, Hatschepsut, Makepre!«
    Danach waren sie umgeben von sattgrünen, doch menschenleeren Ufern. Das gesamte Land wurde bebaut, doch wie Chloe von der »anderen« wußte, gehörte das meiste davon Hatschepsut, ewig möge sie leben!, oder den Priestern Amuns. Die Nacht senkte sich schnell und zog ihre mit silbernen Sternen bestickte Decke über den Himmel. Sie legten am Ufer an, denn kein Ägypter segelte bei Nacht. Chloe zog die Stoffabdeckung ihrer Kabine zur Seite und starrte ins Herz des Universums, bis sich, ganz langsam, ihre Lider schlossen.

    5. KAPITEL
    Die Tage vergingen wie im Flug. Cheftu mied ihre Nähe, und sie vertrieb sich die Zeit damit, zuzuschauen, wie der Nil träge an ihr vorbeizog. Gelegentlich sah sie kleine Gruppen von Kindern am Ufer stehen, die dem Boot zuwinkten und zuriefen, sobald sie die stolze königliche Standarte bemerkten. Ägypten liebte seinen Pharao. Chloe hatte etwas von dem Papyrus abgezweigt, das sie sich für Unterhaltungen mit anderen Menschen zurechtgeschnitten hatte, und begann zu zeichnen. Die von den Ägyptern verwendete Tinte war zu schmierig, deshalb war sie eines Nachts über die schlafenden Leiber vor dem Feuer gestiegen und hatte sich etwas Holzkohle geholt. Es hatte Stunden gedauert, bis sie eine anständige Spitze geschabt hatte.
    Sie verbrachte die Nächte damit, bei Fackelschein die gesichtslosen Körper der Kinder, die Boote

Weitere Kostenlose Bücher