Die Prophetin von Luxor
sie nicht mehr. Chloe stand auf und ging neben ihr in die Hocke.
»Basha?« Sie hob die Hand und verzog das Gesicht, als das Mädchen zusammenzuckte und das Gesicht mit der Hand abschirmte. »Ich habe dir nur eine Ohrfeige gegeben, weil du solche Angst gehabt hast«, erklärte sie leise. »Basha?«
Die Sklavin war wie erstarrt, mit zu Boden gesenktem Blick und zusammengezogenen Schultern, als wollte sie einen Schlag abwehren. Aus ihrem viel zu kurzen Psychologieunterricht an der Schule wußte Chloe, daß das Mädchen höchstwahrscheinlich in irgendeiner Hinsicht ein Opfer war, doch damit war sie schon am Ende mit ihren Vermutungen. Sie zog Basha auf die Füße, ganz behutsam und langsam, und führte sie in ihre spärlich eingerichtete Kammer. Dort rollte sich Basha sofort in Embryonalstellung zusammen, und Chloe zog eine leichte Decke über ihren Leib. Cheftu würde wissen, was zu
tun war.
Sie hörte Schritte im Wohnraum und trat hinaus. Dort stand Nesbek und funkelte sie wütend an. »Spielst du wieder deine alten Spielchen mit den Sklavinnen? Wieso vergeudest du derart dein Talent, Herrin?«
Langsam trat sie in den Raum, die Augen fest auf diesen widerwärtigen Fremden gerichtet, den sie, RaEmhetepet, in nicht einmal drei Monaten heiraten sollte. Wieso sie vom ersten Moment an einen so übermächtigen Haß auf ihn empfunden hatte, blieb ihr unergründlich. Dennoch stieg er wie ein Fieber aus jeder Pore ihres Leibes auf. Sie würde diesen Menschen um fast jeden Preis meiden.
Er verbeugte sich knapp über ihrer Hand, und Chloes Haut kribbelte, als er ihre Handfläche nach oben drehte und ableckte. Zwei Palastdiener beobachteten jede ihrer Regungen, deshalb kämpfte Chloe den Drang nieder, die Hand zurückzureißen und ihn abzuschütteln wie eine lästige Kakerlake. Das wäre ein strategischer Fehler - er hatte irgend etwas gegen sie in der Hand, und sie mußte wissen, was das war. Trotzdem konnte sie nicht anders, als angeekelt die Lippen zu verziehen. Er bemerkte ihre Miene, und seine Augen verdüsterten sich unter einer namenlosen Leidenschaft.
»Meine Berührung bringt deine Blütenblätter zum Welken, Lotos? Früher hat sie dich zum Erblühen gebracht.« Chloe zog ihre Hand zurück und wischte sie heimlich an ihrem Kleid ab.
Sie schickte die Diener fort, dann spazierte sie in den Garten und suchte dabei fieberhaft nach einer diplomatischen Möglichkeit, ihm zu erklären, daß sie eher den krokodilköpfigen Gott Sobek heiraten würde als ihn. Sie blickte zu Boden, der Inbegriff der Unschuld, wie sie hoffte.
»Nein. Das hat nichts mit dir zu tun, Herr. Ich finde jeden derartigen Kontakt unangenehm.« Sie bemerkte ihren Fehler zu spät und spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoß.
»Wem hast du sonst noch gestattet, dich zu berühren, Heilige
Priesterin?« Seine Frage klang zwar höflich, doch mit jedem Wort spie er ihr Gift ins Gesicht.
Er kam auf sie zu und packte sie mit knochenbrechend festem Griff an beiden Handgelenken. »Ich kenne deine kleinen Geheimnisse, RaEm«, zischte er. »Und ich weiß auch, aus welchem Grund du dich so zierst.« Er ließ ihre Hände los und trat zurück. »Hast du es jetzt auf den Prinzen abgesehen? Er würde dein wahres Wesen nicht ertragen. Die Liebhaber, mit denen ich dich in meiner Großzügigkeit teile, müßten einsam in ihren Betten frieren.« Nesbek lächelte und ließ seine Goldzähne aufblitzen. »Er wäre entsetzt, wenn er von deiner Schwäche für geschundene Sklavinnen wissen würde. Sei nicht dumm, RaEm! Er würde deinen Tod fordern und dich ohne Begräbnis und unbetrauert sterben lassen.«
Die Ägypterin in Chloe erbleichte bei dem Gedanken. Man würde sie in dieser und in der nächsten Welt vergessen. Bis in alle Ewigkeit würde ihr körperloses Ka ruhelos durch Raum und Zeit fliegen ... Nesbek duldete es, daß RaEm weitere Liebhaber hatte? Was für eine eigenartige Beziehung. Und das Fleisch geschundener Sklavinnen? Das erklärte vielleicht, warum sich Basha so zusammengekauert hatte. Chloe brachte ein wackliges Lächeln zustande. »Ich stehe unter dem Schutz des Thrones. Ich habe nichts zu befürchten.«
Nesbek lachte, ein ekelhaftes Geräusch, wie das Grunzen eines Schweines. »Heute abend werde ich eine kleine Feier veranstalten, und du bist mein Ehrengast.« Sein Blick schoß kurz an ihr vorbei, dann beugte er sich vor. »Selbst dein kostbarer Prinz wird anwesend sein, und er wird wissen, daß diese Feier dir gilt.« Nesbeks Gesicht war dicht vor
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