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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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selbst die hinterlistigste Kreatur, die Chonsu erschuf, hatte ein paar ansprechende Züge, ermahnte er sich. Seit er erfahren hatte, was für ein Leben seine ehemalige Verlobte führte, betrachtete Cheftu sie als äußerst gefährliches Raubtier. Dennoch sprühten schon bereits bei der Erinnerung daran, wie ihr weicher Mund unter seinem lag, in seinen Adern Funken.
    Diese Frau war das reine Gift. Das war ihm klar. Wenn er sich nicht in acht nahm, würde sie ihn anstecken und ins Verderben reißen. Trotzdem brachte er es nicht übers Herz, sie oder das unschuldige Kind zu töten, das sie in ihrem Bauch trug. Statt dessen würde er ihr etwas verabreichen, das ähnliche Wirkungen hervorrief wie das Gift, aber ohne bleibenden Schaden anzurichten.
    Und was war mit dem unglücklichen Sklaven, der in der Nacht erst Blut gespien hatte und dann gestorben war? Seine nur allzu menschlichen Schreie gellten noch in Cheftus Ohren. Hatte da jemand versucht, den Kronprinzen zu töten? Gut, die Tänzerin hatte gestanden, doch welcher Sterbliche würde nach zwei Tagen unter Folter noch irgend etwas abstreiten wollen? Was noch wichtiger war, sie hatte keine Komplizen genannt. Das paßte nicht zusammen.
    Hatschepsut würde niemals, nicht einmal unter den widrigsten Umständen, zulassen, daß Horus-im-Nest etwas angetan wurde, das wußte er. Sie hatte Achtung vor dem Blut ihres Vaters, das durch Thuts Adern floß. Wäre er ihr eigener Sohn, säße er mit Sicherheit bereits auf dem Thron. Doch das war er nicht, und darum konnte sie die Macht nicht aus ihren Händen geben. Dennoch würde sie niemals seinen Tod anordnen oder billigen.
    Im Geist ging Cheftu ihre Vertrauten durch. Würde Hat-schepsuts treuer Leibwächter Nehesi so etwas ohne ihre Erlaubnis unternehmen? Bestimmt nicht. Er würde niemals gegen den Wunsch seiner Oberkommandierenden handeln. Hapuse-neb? Nein, denn Thut III. war der Abkömmling Amun-Res, und Amun-Res Hohepriester würden niemals das Risiko eingehen, den ewigen Zorn des Gottes auf sich zu ziehen oder die Ma’at aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    Damit blieb noch Senmut, Hatschepsuts geliebter Großwesir. Er war als einfacher Bauernsohn in das zweithöchste Amt im Lande aufgestiegen. Cheftu lächelte in der Nacht. Senmut hatte allein dreißig Titel, darunter auch den des Erpa-ha, des Erbprinzen. Hoffte er etwa, Thut zu töten und dann an Hat-schepsuts Seite zum Tempel zu schreiten, wo er sich zu Sen-mut I, ewig möge er leben!, krönen lassen würde?
    Nein, auch Senmut würde den Wünschen Pharaos keinesfalls zuwiderhandeln. Wäre er darauf ausgewesen, hätte er schon vor Jahren handeln können. Jahre vor dem Wunder.
    Cheftu erinnerte sich noch gut an jenen Tag. Er war einer der vielen Schüler aus der Palastschule gewesen, die sich in den Hof des Tempels geschlichen hatten, um einen sehnsüchtigen Blick auf Amun-Re in seiner goldenen Pracht zu werfen. Es war einer der vielen Feiertage im ägyptischen Jahreslauf gewesen, an denen der Gott in seiner goldenen Barke von Karnak aus flußaufwärts auf einen Besuch zum Luxor-Tempel reiste.
    Hatschepsut hatte zu jener Zeit bereits ihre einzigartige Regentschaft angetreten, aber Thut III. noch nicht offen verstoßen. Sie hatte ihn lediglich in den Tempel geschickt, wo er zum Priester ausgebildet wurde, so wie es einem Knaben geziemte, der irgendwann ein Gott werden sollte. Überrascht hatte Cheftu, der bereits in viele der Tempelmysterien eingewiesen war, beobachtet, wie Amun-Res Barke vor einem der vielen Sem-Priester auf den Tempelstufen anhielt. Vor einem Priester allerdings, der das blau-weiße Band des Königshauses in seiner Jugendlocke trug.
    Unter den entgeisterten Augen ganz Ägyptens hatte der Gott seinen Kopf geneigt, während seine Worte in dem aufbrandenden Jubel der Menschenmenge untergingen. Der junge Thut III. war auf die Knie gefallen, und die Priester um ihn herum hatten sich zu Boden geworfen. Schließlich waren auch Hatschepsut, ewig möge sie leben!, und Hapuseneb aus dem Tempel getreten, gerade rechtzeitig, um das Wunder noch mitzubekommen. Thut war aufgesprungen, hatte seine damals schon fleischigen Fäuste in den Himmel gestreckt und gebrüllt: »Amun-Re hat mich zum Pharao erklärt!«
    Die Menge warf sich ehrfurchtsvoll zu Boden, so daß die »Thutmosis Makepre, ewig möge er leben!«-Rufe vom Dreck erstickt wurden. Cheftu war so dreist gewesen, den Kopf zu heben und einen Blick auf die gegenwärtige Regentin zu wagen. Hatschepsut hatte sich für

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