Die Prophetin von Luxor
bleckend.
»Ich will wissen, wer versucht hat, mich umzubringen!«
»Mein Prinz«, sagte Cheftu, »er kann deine Fragen nicht hören.«
»Dann weckt ihn auf!« spie Thut.
Offenkundig verärgert fuhr Cheftu sich mit der Zunge über die Lippen. »Mein Prinz, der Mann ist krank. Niemand hat versucht, dich umzubringen. Er ist einfach nur krank; das kommt manchmal vor, wenn man in der Hitze Res ein Mahl zubereitet.«
Thut zog die Brauen zusammen. »Dann bring ihn zurück nach Avaris und laß ihn dort beobachten. Ich will wissen, wann er erwacht ... und was dieses Essen bei ihm angerichtet hat.« Er klatschte in die Hände und wandte sich an seine Gäste. »Der edle Herr Cheftu wird sich um diesen Sklaven kümmern. Laßt uns weiterfeiern!« Gehorsam kehrten alle auf ihre Plätze zurück. Die Musiker begannen zu spielen, und die Sklaven säuberten unauffällig das Deck.
Chloe beobachtete, wie Cheftu in eines der kleinen Beiboote stieg und die Sklaven anwies, ihren Gefährten zu tragen. Sein Schurz glitzerte im flackernden Fackelschein, und Chloe begriff bestürzt, daß er weder Juwelenschmuck noch Schminke trug, wie es jeder Ägypter tat. Und auch kein Kopftuch. Sein Haar, das sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte, war dicht und schwarz und glänzte bläulich im Fackellicht. Er hatte so vertraut ausgesehen ... und so verletzlich.
Schnell überflogen ihre Augen das Deck des anderen Schif-fes, das bereits Segel setzte, als sie den größeren weißen Fleck entdeckte - ein Umhang -, der mit dem Weiß von Cheftus Schurz verschmolz.
Chloe riß ihren Blick wieder los. Sieben war nirgendwo zu entdecken; bedrückt erkannte Chloe, daß die Priesterin der Grund dafür gewesen war, daß Cheftu so ungeschminkt aus der Versenkung aufgetaucht war. Chloe setzte ein falsches Lächeln auf, warf schlagartig ihren früheren Entschluß über den Haufen und nahm den großen blauen Glasbecher, den das Sklavenmädchen ihr anbot. Thut war in eine Unterhaltung mit seinen Edelmännern vertieft, und so kippte Chloe ihr Glas hinunter, entschlossen, den heutigen Abend vollkommen zu vergessen. Und zwar so schnell wie möglich.
Erneut erwachte sie mit einem Kater und ohne zu wissen, wie sie ins Bett gekommen war. Ich darf das nicht zur Gewohnheit werden lassen, dachte sie und steckte den Kopf unter die leinene Decke, um Res hellen Strahlen zu entkommen.
Basha schlich in ihr Zimmer und stellte flüsternd ein Tablett mit Milch und Obst vor ihr ab. Chloe nahm einen Schluck Milch und eilte sofort darauf zum Nachttopf, eine Hand gegen die Stirn gepreßt, die andere gegen den Magen. Jemand klopfte an die Tür, und ihr Magen krampfte sich noch fester zusammen. Scher dich weg, dachte sie mit tränenüb er strömtem Gesicht. Basha blieb eine ganze Weile lang weg, und als sie zurückkehrte, wich sie Chloes Blick aus. Mit sanftem Griff führte sie Chloe an den Massagetisch und begann, eine kühlende Minzlotion in ihre erhitzte Haut zu reiben. Während sie Chloes Schläfen massierte, dachte Chloe über die vergangenen Nächte nach. War das RaEms Stil? Die ganze Nacht durchzufeiern und bis zum Nachmittag zu schlafen? Daran mußte sie unbedingt etwas ändern, falls - nein, weil - sie schwanger war. Chloe schloß die Augen, halb in den Schlaf gewiegt von Bashas Massage.
»Es ist Monatsanfang, Herrin«, sagte Basha. Ihre Stimme klang unsicher. »Soll ich dir einen Seher rufen?«
Chloe durchforstete RaEms Erinnerung, und die Informationen, die sie zutage förderte, waren beängstigend. Wie die meisten adligen Ägypter hatte sich RaEm fast täglich ihr Horoskop werfen lassen, und wie die Stäbe fielen, bestimmte all ihre Handlungen und Entscheidungen. Doch Chloe sah auch, daß es durchaus normal gewesen war, sich während der vergangenen Monate das Horoskop nicht lesen zu lassen, da sie schließlich »nicht in der Gunst der Götter« gestanden hatte. In RaEms abfälligstem Ton erwiderte Chloe: »Natürlich, du dummes Ding. Was mußt du da noch fragen? Tu das, und zwar sofort.«
Basha lief aus dem Zimmer und hinterließ auf Chloes Rücken eine klebrige Pfütze. »Ich meinte doch nicht sofort sofort«, sagte Chloe in das leere Zimmer hinein.
Basha lief aus den Gemächern der Herrin RaEmhetepet, auf der Flucht vor dem Zorn der Herrin. Sie war so schwer zu begreifen. Die meiste Zeit war sie nett - anstrengend, weil ihr oft unwohl war, aber dankbar. Ganz im Gegensatz zu früher. Doch dann bekam sie einen ihrer Ausbrüche und verwandelte sich zurück in die
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